Die letzten Strahlen der Sonne tauchten die einst grüne, idyllische Landschaft vor den Toren Fanadas in einen rötlichen Schimmer. Der seichte, aufkommende Wind trieb langsam aber stetig den Gestank nach Tod und Verwesung hinüber zur großen Stadt, deren einst trutzige Mauern nun wie die verfaulten Zähne einer alten Vettel aussahen, die sich einfach weigerte zu sterben. Auf dem Schlachtfeld war Ruhe eingekehrt. Die letzten Kämpfe die hier und heute noch ausgetragen wurden, waren die der leise dahin sterbenden, derjenigen denen es nicht vergönnt gewesen war, einen schnellen, sauberen Tod zu sterben. Krieger, Soldaten, Ritter; ihre Waffen zerbrochen, die Rüstungen zerfetzt von der Gewalt des Krieges. Ihre Getreuen um sich geschart und noch im Tode von ihnen zum Schutze umringt lagen ihre Körper im Dreck und Unrat danieder. Nun hielten die Krähen, die wilden Tiere und Aasfresser ihr Festmahl, während vereinzelte Männer und Frauen durch die Reihen der Leichen wateten und sich mit jenen tierischen Gesellen um auch die letzten Reste von Wert vom Schlachtfeld zu holen. Der Lupus Umbra hatte eine empfindliche Niederlage hinnehmen müssen, doch erneut kam dem tapferen Verteidiger der Gedanke in den bandagierten Kopf: „Zu welchem Preis?!“
Auch die Valkensteiner hatten mittlerweile die Kampfhandlungen eingestellt. Mit müden, doch ungebrochenem Gesichtsausdruck marschierten sie zwischen den Toten und Sterbenden umher und suchten diejenigen aus ihren Reihen, die es nicht geschafft hatten. Hier und da blitze ein Dolch in der Hand eines Grenadiers auf. Ein kurzes Nicken, als würde man einen alten Freund begrüßen und kurz darauf ein letztes, erleichtertes Stöhnen, bevor ein weiterer Gefallener in die Hallen seiner Götter Einzug hielt. Es schienen Tage vergangen zu sein, doch jeder wusste, dass die Schlacht nur Stunden gedauert hatte.
Ein müder, dreckiger und blutender Robert stapfte über das Schlachtfeld. Den größten Teil seiner Rüstung hatte es ihm schon vor Stunden vom Körper gerissen und sein zuvor noch schwarz-weißer Wappenrock war nun in ein tiefes blutrot getränkt. Seine beiden Äxte hingen schwer an seinem Gürtel und sein Gesichtsausdruck wirkte leer. Seine müden Augen versuchten sich an das Halbdunkel zu gewöhnen, während er nach Freunden und Kameraden Ausschau hielt. In einiger Entfernung bemerkte er einen Kordon aus schwarz-weißen Wappenröcken und als er diesen fixierte, sah er Miguel und einige Nordhunde, die Sasha zwischen sich in Richtung Stadt manövrierten. Hatte sie es also doch geschafft! -
Eine Bewegung ließ ihn herumfahren und kurz darauf klammerte sich eine blutüberströmte Hand an seinen Stiefel. Robert schaute zu Boden und blickte in das Gesicht eines Lupus Umbra Kriegers dessen Körper von der Taille abwärts nur noch ein blutiger Haufen Fleisch war. Der Blick des Kriegers war erfüllt von Wut und Furcht, doch sein Verstand hatte schon vor einiger Zeit das Schlachtfeld verlassen. Robert zog seinen Dolch und mit einer schnellen Bewegung rammte er ihn, ein Gebet an Tormentor zitierend durch den Nacken des Kriegers. Ein kurzes Zucken und das Gesicht des Kriegers entspannte sich endgültig. Robert erhob sich derweil wieder und schleppte sich weiter zum Zentrum des Schlachtfelds, dorthin wo sich mittlerweile die Reste seiner Grenadiere versammelt hatten. Auf dem Weg zu seinen Getreuen sah er viele Leute die er kannte oder gekannt hatte. Hier und da tauschte er einige aufmunternde Worte mit alten Kameraden und neuen Freunden aus, bis er endlich seine eigenen Leute erreicht hatte. Von den vierundzwanzig Männern und Frauen hatten neunzehn die Schlacht überlebt. Die Körper der anderen Fünf lagen zwischen ihnen, bedeckt mit den blutroten Wappenröcken, derer sie sich heute als würdig erwiesen hatten. Robert ließ sich auf die Überreste eines nahegelegenen Katapults fallen, während er seine Leute eingehend musterte. Sie alle sahen aus, als kämen sie geradewegs aus der Hölle. Zerschnittene Haut, zerstörte Rüstungen; keiner von ihnen hatte mehr seine ursprünglichen Waffen, diese waren auf dem Schlachtfeld verblieben und ersetzt worden durch solche, die sie den kalten Händen ihrer Gegner entrissen hatten. Langsamen Schrittes näherte sich Gerhard seinem Oberst, salutierte und tauschte dann einige leise Worte mit ihm aus. Roberts Stirn legte sich in Falten, doch schließlich nickte er und deutete auf vier weitere Grenadiere, die bereits dabei waren einigen der umliegenden Feindesleichen ihrer Kleidung zu entledigen. Ein kurzer Händedruck, ein Nicken und schon verschwanden Gerhard und die vier Grenadiere mit ihrer Beute in der Dunkelheit der hereinbrechenden Nacht. - Robert und die Zurückgebliebenen schulterten derweil ihre Gefallenen und marschierten in einer stummen Prozession zurück in die Stadt. Die Leute in ihrem Weg wichen ehrfürchtig zurück und vereinzelter Jubel empfing sie, doch die Schrecken des vergangenen Tages behielten zumeist die Überhand. Aus dem Augenwinkel betrachtete Robert die menschlichen Geier, die nun über das Schlachtfeld liefen um sich ihren Anteil am Schlachtfest zu sichern. Ein altes Fahrtenlied kam ihm dabei in den Sinn, dass er vor vielen Jahren zum letzten Mal gehört hatte:
"Es hat sich ein Mädchen in'n Fähndrich verliebt,
Er spricht ihr von Ehre und heirath sie nicht,
Wenn der Fähndrich die Fahne thut rühren,
Thut sich ihr Herzchen vor Freuden floriren.
Der Tambur die Trummel im Wirbel schon rührt,
O wunderschön Mädchen must leiden groß Noth,
Da heißt es, Soldaten in's Feld müßt marschieren,
Bald haben wir kein Geld, bald haben wir kein Brod.
Bald haben wir kein Brod, bald haben wir kein Geld,
O du wunderschön Mädel! so geht es im Feld,
Und wenn der Feind kommt und bringet uns um,
Bleib bei der Armee und halt dich fein frumm."
Schließlich erreichten die Valkensteiner Sturmgrenadiere das kleine, windschiefe Haus, das noch immer an einige Mauerreste gelehnt dastand, als könnte nichts und niemand, nicht einmal der entfesselte Zorn der Götter ihm jemals etwas anhaben.