Liebe Leute,
ich habe mir die Guncam-Videos nun einige Male angesehen und muss sagen, dass ich die Art und Weise, wie leichtfertig die Besatzung des Helikopters ihre "Abschüsse" preist selbstverständlich nicht gut heißen kann. Trotzdem kann ich ebenso wenig gutheißen mit welcher Polemik dieser Thread hier eröffnet wurde.
Denn eine Sache fällt mir sofort auf, wenn ich diese Videos sehe: Es wird eine Behauptung aufgestellt, dass dort Zivilisten ohne Grund durch einen nicht gefährdeten Helikopter beschossen wurden. Allerdings muss ich mir hier die Frage stellen ob diese Sichtweise nicht zu einfach gehalten ist?! Es wird nirgendwo festgehalten wo und unter welchen Umständen dieser Angriff stattfand. Befanden sich die wohlweislich bewaffneten Männer in einer "Hotzone"? Hatte der Helikopter die Aufgabe in dieser Hotzone Widerstandskämpfer auszuschalten? Handelte es sich bei dem Mann, der um die Ecke in Richtung des Helikopters lugte doch um einen RPG Schützen? Diese und noch viele weitere Fragen sind zu stellen, bevor man irgendwelche polemischen Äußerungen tätigt, die eine reine Schwarz-Weiß Malerei postulieren!
In gewisser Weise muss ich Johannes zustimmen. Einen "sauberen" Krieg gibt es nicht, doch es werden Maßnahmen getroffen die negativen Wirkungen eines Krieges zu minimieren, insoweit dies möglich ist. Aus diesem Grund gibt es Verhaltenskataloge und Richtlinien wie etwas Kriegskonventionen die eben dies bewirken sollen. Zugegeben, die Implementierung dieser Richtlinien ist leider je nach Asbildungsgrad der Truppe mal besser, mal schlechter, aber letztlich ist er vorhanden und dient eben vor allem als Basis für jeden Form der Präventions- und Interventionskriegsführung.
Auch wenn einige Hardliner-Friedensaktivisten immer gern behaupten, dass Krieg immer böse und verdammenswert ist, sollten wir uns ins Gedächtnis rufen, dass er als letzte Option eine wichtige Rolle spielt. Lehnen wir jedoch den Einsatz militärischer Mittel grundweg ab, haben wir keine Möglichkeit mehr unseren diplomatischen Lösungen Nachdruck zu verleihen. An dieser Stelle mögen nun einige von euch aufschreien und auf Möglichkeiten der Wirtschaftssanktion etc. verweisen, doch letztlich können auch diese nur durchgesetzt werden, wenn die Drohkulisse eines "Last Resort" aufrechterhalten wird. Ein weiterer Fall sind Humanitäre Interventionen, auf die ich in diesem Fall jedoch nicht breiter eingehen möchte, da dieses Thema die hiesige Diskussion nur am Rande streift. (Wer trotzdem etwas darüber erfahren möchte, dem empfehle ich: Hinsch, Wilfried; Janssen, Dieter: "Menschenrechte militärisch schützen: Ein Plädoyer für humanitäre Interventionen", Beck 2006).
Kommen wir nun zurück zu der im Film gezeigten Lage. Wie ich Eingangs bereits sagte, steht für mich noch nicht fest, dass es sich bei den Angegriffenen um Zivilisten handelte. Sollte dies der Fall gewesen sein, so hat der Kommandant des Helikopters eindeutig falsch gehandelt und muss entsprechend den Richtlinien der Militärgerichtsbarkeit belangt werden. Hierzu ist jedoch erst einmal die Situation zu klären, in der der Angriff stattfand. Zudem hat der Kommandant eindeutig um "Feuererlaubnis" gefragt, was uns wiederum in der Kausal- bzw. Kommandokette in höhere Ebenen führt. Aufgrund dieser Tatsache ist nicht davon auszugehen, dass es sich bei dem Hubschrauberkommandanten um einen "Cowboy" handelte, der mal eben aus niedern Motiven Jagd auf Menschen machte. Vielmehr deutet dies auf eine geplante militärische Aktion hin, die in einem festgelegten Rahmen operierte. In diesem Fall ist weiter nicht davon auszugehen, dass der Angriff sowohl der militärischen Notwendigkeit, wie auch der Verhältnismäßgkeit zu entsprechen hätte. Ich möchte an dieser Stelle einmal "blauäugig" annehmen, dass das Amerikanische Militär, trotz seiner Verrufenheit, keine Bande von Psychopathischen Schlächtern ist, die eine perverse Neigung zum Mord haben. Denn bei all ihrer "Weltmacht-Idee" würde ein solches Verhalten den meisten Werten widersprechen, die sie gern als die eigenen postulieren.
Eine weitere Schwierigkeit ist die, dass wir es in diesem Fall mit der sogenannten asymetrischen Kriegsführung zu tun haben; d.h. es gibt keinen klar durch Uniform ausgewiesenen Feind, sondern eine Gruppe von Feinden, die sich innerhalb der Zivilbevölkerung versteckt. Einen solchen Feind zu bekämpfen ist ungleich schwerer, weil er durch sein eigenes Verhalten die zivile Bevölkerung in Mitleidenschaft zieht, womit das Risiko von Kollateralschäden unverhältnismäßig steigt!
Mein Fazit lautet also zu dieser Angelegenheit, dass es sich entweder um einen bedauerlichen Zwischenfall handelte, bei dem Zivilisten trotz aller Vorsichtsmaßnahmen getroffen wurden oder die besagten Zivilisten eben keine Zivilisten waren und daher als feindliche Kombattanten einzustufen und anzugreifen wäre. Eine dritte Möglichkeit wäre, dass es sich um Kombattanten handelte, die mit Zivilisten (Reportern) unterwegs waren. In diesem Fall wäre die Frage, ob ein Angriff rechtmäßig war noch komplexer. Wir wollen uns daher den ersten zwei Fällen widmen...
Im ersten Fall wäre ein klarer Verstoß gegen das Kriegsrecht erfolgt und die Ausführenden im Helikopter, wie auch der Kommandant, der den Angriff befohlen hat sind gemäß des Militärrechts zu bestrafen. Im zweiten Fall, hat die Besatzung richtig gehandelt und nach dem Go des Kommandanten ein feindliches Ziel erfolgreich bekämpft (was die unbotmäßigen Äußerungen der Crew nicht entschuldigt).
Bis jedoch die Fragen des Kontexts geklärt sind, möchte ich darum bitten polemische Äußerungen, die nur auf Annahmen und der Schockwirkung der Bilder basieren zu vermeiden. Diese Thematik ist einfach zu komplex, als dass es hier mit einigen Parolen getan ist!
Wer weitere Informationen zu dieser Thematik sucht, dem kann ich die Bücher von Michael Walzer "Just and Unjust Wars" und "Arguing about War", sowie Lothar Fritzes "Die Tötung Unschuldiger" sehr empfehlen. Auf Wunsch auch gern eine Kopie meiner eigenen Magisterarbeit "Moralisch korrektes Töten" (Arbeitstitel), die in einigen Monaten fertiggestellt sein sollte. (Ja, solche Diskussionen wie diese hier sind Teil meines Jobs!)
Noch eine kurze Anmerkung zum Namen des Threads: "Dieser Krieg ist ein Verbrechen!": Die Folgerung, dass eine einzelne Aktion, gerechtfertigt oder nicht, die durch einzelne Personen durchgeführt wurde, einen Krieg automatisch als "unjust" deklariert ist äußerst fragwürdig! Selbstverständlich kann es in Kriegssituationen vorkommen, dass Soldaten falsche Entscheidungen treffen, Entscheidungen die möglicherweise eine gewollte oder ungewollte Folge nach sich ziehen. Dies sind jedoch Einzelhandlungen und können erst in dem Moment, wo sie zur allgemeinen Verhaltensweise bzw. Richtlinie werden einen gesamten Krieg zum ungerechten Krieg verdammen (und ja, es gibt auch gerechte Kriege! Darauf jedoch genau einzugehen, würde an dieser Stelle zu weit führen, daher möchte ich auf die oben genannte Literatur verweisen). Nehmen wir ein Beispiel: Die Bombardierung deutscher Städte durch Allierte Luftverbände während des II. Weltkriegs, sind nach allgemeiner Auffassung unnötig und in erster Linie gegen die Zivilbevölkerung gerichtet gewesen, trotzdem wird durch diesen Einsatz der Krieg der Alliierten gegen Nazi-Deutschland nicht ungerecht!
Auf der anderen Seite nehmen wir den Vernichtungsbefehl des Generalleutnants Lothar von Trotha der die Deutschen Schutztruppen nach der Niederschlagung des Aufstands anwies jeden Herero innerhalb der Koloniegrenzen ohne Umschweife zu erschießen. Ein solcher Befehl von höchster Stelle, der eine Weisung für die ganze Truppe darstellt würde einen weiteren Krieg ungerecht werden lassen.
In unserem Fall sind es jedoch definitiv die Handlungen von Einzelpersonen und von daher sollte die Diskussion ob der Krieg im Irak gerecht oder ungerecht sei, aufgrund anderer, weiterführender Argumente diskutiert werden!
Soviel von meiner Seite...
Besten Gruß,
Chris