Autor Thema: Bericht zur Belagerung, diktiert von Feldmarschall Heinrich, zu Engonia  (Gelesen 2481 mal)

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4. Tag des dritten Mondes

Für die zukünftige Betrachtung meiner Entscheidungen und das Studium zukünftiger junger Rekruten des Lupus Umbra diktiere ich diese Zeilen. Der Kaiser ist deutlich ungehalten über die Sturheit der Metze Loenna, nach diesem harten Winter trotzdem noch diesen Wahnsinn auszuführen. Als Verantwortlicher für die Verteidigung der Kaiserstadt wünschte ich, Alaron von Norngard hätte seinen Auftrag bereits erfüllt. Aber Tiors Segen und magische Maschinen vertragen sich eben nur bedingt.

Soeben habe ich meinen Rundgang über die äusseren Befestigungen beendet. Der Pilgerzug wuselt in der Ferne wie ein Haufen Ameisen, deren Bau man aufgewühlt hat. Aus der Ferne höre ich das dünne Winseln ihrer Priester. Kein Vergleich zu dem dunklen, kehligen Gesang aus dem Tiorstempel, der unsere Krieger in der Kaserne begleitet.

Der Pilgerzug hat sich aufgestellt. Aus der Ferne sehe ich die Fahnen des elenden Hanekamper Verräters und der Metze Loenna in der Mitte. Dort sind wieder einmal die verfluchten Fremden, genauso wie auf ihrer linken Flanke. Diese Ratten würden Engonien lieber an die Fremden verkaufen, als sich der rechtmässigen Herrschaft Konars zu unterstellen.
Ich vermisse die Firngarder. Was für einen merkwürdigen Plan haben unsere Gegner? Wo sind ihre Belagerungsgeräte? Ich werde weitere Patrouillen ausschicken.

Während ich auf dem Weg zurück zum Nordtor war, haben sie versucht, die Löwenburg anzugreifen. Die Wahnsinnigen. Es ist, wie zu erwarten, schiefgegangen. Die Wölfe haben ihnen arge Verluste bereitet, so wie es sein sollte. Ich glaube, ich kann mir ein wenig Zufriedenheit gestatten.

Der Kaiser steht nur wenige Schritte neben mir. Seine hochgewachsene Gestalt ist es nicht, die sogar mir Ehrfurcht einflösst. Es ist, als ob hinter ihm Tior selbst steht und seine Hand auf seine Schulter gelegt hat.
Soeben stürmen die Valkensteiner auf uns zu. Sie werden mit Pfeilen und Bolzen gespickt, aber halten nicht an. Widerwillig spüre ich ein wenig Bewunderung in mir aufsteigen.
Sie sind vor dem Nordtor angekommen. Wir alle starren erstaunt auf diesen kleinen Mann herunter, der dem Kaiser Gift und Galle entgegenspuckt. Jeden Moment erwarten wir, dass ein Blitz ihn niederstreckt.
Der Kaiser hat gelacht. Ein merkwürdiges, seltenes Geräusch. Und dann ist er heruntergestiegen und hat das Tor öffnen lassen. Er ist dem Zwerg, den es ist wohl Robert McManahugh, Oberst der Valkensteiner Armee, entgegengetreten. Wir sehen dem Kampf zu, während mein Schreiber wild mit seiner Feder über das Papier kratzt. Der Kaiser hat mit seinem ersten Streich seinen Gegner zurückgeschlagen und ihm wohl den Kiefer gebrochen. Mit einem Stöhnen richtet sich Robert wieder auf und wird von einem lächelnden Barad Konar mit einem Schlag gegen seinen Waffenarm wieder zu Boden geworfen. Ich glaube, etwas hat geknirscht. Und ja, er steht wieder auf, sein Arm hängt nutzlos herab und unglaublicherweise stürmt er wieder auf den Kaiser zu! Laut kracht es, als er mit dem Kopf voran gegen ihn donnert und ihn sogar einen halben Schritt zurücktreibt. Wieder lacht der Kaiser und in einem Beispiel unglaublichen Grossmutes lässt er die Valkensteiner abziehen.

Der Kaiser ist auf dem Weg Richtung Palast, guter Laune. Ich muss hierbleiben und darf beobachten, wie diese störrischen Valkensteiner eine unserer vorgelagerten Wehrmauern angreifen. Die Verstärkungen haben den Befehl, die Tunnel zu sichern. Und während es dunkel wird, lasse ich Fackeln auf der Mauer entzünden und mehr Truppen zu diesem Abschnitt der Mauer bringen. Morgen werden sie wieder angreifen und die Mauer muss gehalten werden.

Mitten in der Nacht bin ich geweckt worden. Offenbar ist Erion Barkwin, der grosse Priester Tiors tot. Erschlagen von der Hand feiger Feinde. Nun gut, seinen Tod werde ich rächen. Soviele Lupus Umbra, wie ich entbehren kann, werde ich zu dem Ort schicken, wo dieser feige Mord geschah. Und da mir dies alles zu nah ist, direkt noch eine Nachricht an den Burgvogt von Salmar. Nun aber ein wenig verdiente Nachtruhe. Geh, Schreiber.


5. Tag des dritten Mondes

Während die Sonne aufgeht, verfluche ich diese elenden Nichtmenschen. Meinen Berichten zufolge graben sich Zwerge durch die Barrikaden in den Tunneln unter den Vorwerken. Wenn diese fallen, dann wird es ein blutiger Strassenkampf, denn diese Stadtmauer ist mit einem grossen Schritt überwunden.

Truppenbewegungen im Westen. Meine Späher berichten mir merkwürdige Dinge. Ich wüsste gerne, was da geschieht. Nunja, einen Spion habe ich dorthin geschickt, der Mann ist vertrauenswürdig. Diese Pilgerzügler, sie haben sich fast völlig gegen die Löwenburg gewendet. Was erwarten sie? Dass ich auf ihre Ablenkung hereinfalle? Die Löwenburg ist gestern nicht gefallen, sie wird auch heute nicht fallen. Aber ich werde eine Nachricht mit Fahnen schicken. Der Magier soll sterben.

Die ersten zaghaften Angriffe auf die Vorwerke beginnen. Es ist bereits später Nachmittag und sie beginnen jetzt erst? Nun, wer mit den Metzen Lavinias und den Freuden Nadurias zu Bette geht, von dem ist nicht mehr zu erwarten. Nun denn, dann werde ich sie erwarten.

Feuer, Feuer im Westen! Und nicht irgendeines, das war Magie. Der Bote hat nicht gelogen, Alaron von Norngard hat wirklich versagt. Soll ich jetzt das Versagen des Salmarer Burgvogtes ausbaden? Der Kaiser tobt. Seine Garden sind auf dem Weg zur Mauerbresche. Aber ich muss zum Nordtor, jetzt werden sie dort angreifen.

Wir sind umzingelt. Ich habe es bis zur Kaserne geschafft, doch diese verdammten Fanatiker, die einem falschen Tior anhängen, waren schneller. Wie die Hasen sind sie gelaufen. Das Nordtor steht offen und jeder meiner Männer, der draussen ist, wird niedergemacht von den Reitern der Metze Loenna und des Verräters. Doch die Nacht wird dunkler. Im Westen wird gekämpft. Ich werde mich mit einigen Truppen zurück zum Senatspalast aufmachen.

Wir haben den Senatspalast erreicht. Vor dem Palast selber vertrieben wir eine Gruppe Firngarder und Ahrnburger, die glaubten, bereits das Gebiet erobert zu haben. Ich sammele die Truppen. Und nun bitte ich um Audienz beim Kaiser.

Es war unglaublich. Wir standen mit dem Kaiser über der Stadtkarte und beratschlagten die beste Taktik. Und mit einem Mal war er einfach verschwunden! Nun, auch nach seinem Verschwinden  müssen wir die Stadt halten. Er wird wiederkommen. Er MUSS wiederkommen.

Ich habe befohlen, die Fässer mit Breganer Feuer in den Kaiserpalast zu bringen. Das letzte Feuer, soll es zur Falle für alle werden, die diesen Ort betreten. Der Strassenkampf ist überall zum Erliegen bekommen, eisiger Nebel bedeckt die Stadt. Ich lasse die Truppen sammeln. Morgen erobern wir Engonia zurück.

6. Tag des dritten Mondes

Was tut ein Soldat, wenn er keinen Befehl mehr bekommt? Was tut der Wolf, wenn sein Rudelführer stirbt? Er wird selber zum Befehlshaber und Rudelführer! Die Gerüchte sind mir einerlei, aber eher wird jeder Mann und jede Frau unter meinem Kommando sterben, bevor wir aufgeben.

Es gibt Unruhe unter den Truppen. Einige haben sich ergeben. Das kann ich nicht zulassen. Schreiber! Jeder, der sich ergibt, ist des Todes. Und zündet die Fässer an, niemand wird den Thron des grössten Mannes, der je auf Erden gewandelt hat, beschmutzen. Eher brenne ich die Tempel, das Theater, ja alles nieder.

Die Metze und der Verräter von Norden und jetzt auch noch die Firngarder und Ahrnburger von Westen. Meine Männer laufen zu den Fenstern, dieser Hundsfott von Tiorspriester ruft etwas. Los Schreiber, zum Fenster.
Unglaublich. Die Leiche des Kaisers, zur Schau gestellt wie eine Trophäe? So nicht, ihr Mörder. HÖRT IHR, MÄNNER? SO NICHT! BRINGT SIE UM! BRINGT SIE ALLE UM! ZU DEN KET...

Schreiber, notier meine Worte. Mein Name ist Gerfurt, Ritter des Lupus Umbra, Kommandant des 3. Middenfelzer Regimentes, Ritter im Orden seit 7 Jahren. Der Kaiser ist tot und wir haben unser Anrecht auf Engonien verloren. Aber nicht unser Recht auf Leben. Ich entscheide, wann ich sterbe und nicht ein wahnsinnig gewordener Feldmarschall. Ich werde nun zu den Pilgerzüglern hinausgehen und wenn ihr Wort irgend etwas wert ist, dann überlassen wir ihnen diese Stadt. Der Kaiserpalast brennt, aber der Senatspalast, das alte Theater, die Tempel, alles steht noch. Sollen sie es doch haben.

Und wieder diktiere ich diese Worte. Wir haben freien Abzug bekommen. Ich befinde mich in der Löwenburg und sobald meine überlebende Garnison, von denen einige noch wildgewordenen Pilgerzüglern zum Opfer gefallen sind, wieder ausgerüstet ist, marschieren wir nach Middenfelz. Der Kommandant der Löwenburg versprach mir Zeit und die wird der Orden brauchen. Dies ist nicht das Ende.
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