Der Städtebund von Tangara > Fanada
Das Kontor - nach dem Krieg
Jelena:
Jelena glitt vorsichtig durch das Wasser und nahm die schluchzende Frau in den Arm, während sie Mala weiterhin mit dem anderen an sich drückte. Sie hielt sie einfach nur fest und machte beruhigende Laute, bis die Schluchzer leiser wurden und schließlich verstummten.
"Sei nicht so hart zu dir, Jenna. Der Mann wird friedlich gestorben sein, das Bild von dir und der Kleinen das letzte an das er gedacht hat. Eine hübsche Frau und ein Kind, nicht das Gemetzel der Schlacht und die Schreie der Sterbenden. Er hat dich nicht belogen, als er sagte, du hättest ihm gerettet."
Sie machte eine kleine Pause, bevor sie schließlich die Frage stellte, die an ihr nagte seitdem Jenna mit dem Kind im Arm vor der Akademie gestanden hatte:
"Wer würde nach dir suchen lassen?"
Lilac:
Jenna sah Jelena nicht an. Konnte es nicht.
"M...mein V... mein Vater. Mein ältester Bruder. Vielleicht die Familie des Vaters von Malla."
Trotz des warmen Zuberwassers fröstelnd zog Jenna die Schultern hoch. Ihre nassen Haarsträhnen hingen wie ein Vorhang über ihrem Gesicht, als seien die Worte, die aus ihrem Mund kamen nichts, was man öffentlich zeigen könnte.
"Es war eine nvon den ersten Laviniafeierlichkeiten nach der Wintersonnenwende. Eine Bekannte und ich wollten nicht mit den Grobianen und Schlampen aus unserem Viertel feiern. Sie sagte, sie wüsste von einer Tempelfeier in einem besseren Bezirk.
Wir haben uns also besonders hübsch gemacht - nicht diese eklige Auftakelei, wie sie bei uns üblich ist - mit all dem nackten Fleisch und der dicken Schminke und dem vielen Schmuck... eher etwas schlichter und eleganter - wir haben uns sogar vorher ausgiebig gewaschen - und das im Winter!
Naja, es war dann doch nicht so gehoben, wie ich mir das vorgestellt hatte - hauptsächlichh jüngere Söhne ohne große Erbansprüche und Mädchen wie wir, die in die nächst höhere Schicht aufsteigen wollen... Aber es war wärmer, das Essen und die Getränke waren besser, die Herren nicht ganz so grob - man konnte sich schon vorstellen, wie es bei denen zuhause sein musste, auch wenn sie hier ausleben, was ihnen die Benimmregeln zuhause verbieten. DAFÜR kommen sie gerne in unsere Viertel!...
Sie machen einem nette Geschenke, manchmal einen abgetragenen Mantel, eine Brosche... für sie ist es nichts, aber für uns liegen diese Dinge in der Regel das ganze Leben lang außer Reichweite.
Naja, der Alkohol floss in Strömen, es wurde kuscheliger und wenn man's drauf anlegt, kommt man irgendwann mit irgendwem zusammen. Ich wollte einen schönen Abend haben und mein Gegenüber sah gut aus, war nicht zu überheblich, nicht grob, ein typischer jüngerer Sohn aus reichem Hause - ein Lebemann, der mir alle Getränke ausgab und wusste, wie man Spaß hat. Es war uns klar - wir genießen die Feier und sehen uns dann wahrscheinlich nie wieder. Ich bin keine von denen, die glaubt, wenn einer aus der höheren Schicht mit dir rummacht, heiratet er dich gleich und du wirst 'ne reiche Gattin.
Als ich dann schwanger wurde, war's halt ein Lavinia-Geschenk..."
Jenna zögerte und ihre Stimme wurde leiser.
"Das gab es ja öfter. Aber nicht mit meinem Vater. Als es herauskam, tobte er. Er verlangte, dass ich ihm den Namen vom Vater sage. Er meinte, "Keiner frisst sich durch meine Auslage, ohne dafür zu bezahlen.". Er und mein ältester Bruder haben dann die ganze Nacht überlegt, wie hoch der Preis sein sollte. Sie wollten am nächsten Morgen zum Haus meines Partners von der Laviniafeier gehen und ihn dazu zwingen, zu zahlen und mich zu heiraten. Wir hatten unsere Schlafstelle unter'm Dach - ich hab alles gehört - vor allem weil sie sich Mut angetrunken haben und immer lauter geworden sind..."
Jelena:
"Wäre es denn so schlimm gewesen ihn wieder zu sehen? So wie du ihn beschreibst war er doch kein schlechter Mann."
Lilac:
Ein freudloses Lachen quetschte sich durch den Strähnenvorhang.
"Nein, das war er nicht.
Es hat viel Streit gegeben zwischen Wulfgars Familie und meinem Vater. Zuerst hat Wulfgar versucht es zu bestreiten, das er mir den dicken Bauch gemacht hat. Schließlich musste er es aber zugeben. Sein Vater lebt nach einem alten Ehrenkodex - er war außer sich darüber, dass Wulfgar die Familienehre verletzt hatte, weil er mir ein Kind gemacht hat, ohne über die Folgen nach zu denken. Dann haben sie um den Brautpreis geschachert. Als mein Vater gesehen hat WIE gut betucht Wulfgars Familie war, hat er den Preis noch mal kräftig nach oben gezogen. Das wollten die natürlich nicht bezahlen - für ein Mädchen aus dem Armenviertel, wo sie doch eigentlich für ihren Jüngsten was Nettes aus der Nachbarschaft suchen wollten..."
Wieder erklang das freudlose Lachen.
"Naja, irgendwann wurden sie sich dann einig. Wulfgar und ich wurden da nicht wirklich gefragt. Eines Abends fand dann sowas wie 'ne Verlobungsfeier statt. Du ättest ihre Gesichter sehen sollen! Wulfgars Eltern sahen aus, als wär's 'ne Beerdigung. Mein Vater und mein Bruder freuten sich über das Geld, meiner Mutter war's egal, Glup hat eh nichts verstanden und sich einfach nur übers Essen hergemacht und Jabucuca und Djecak hatten die Tränen in den Augen. Wulfgars älterer Bruder war erst betont überheblich und freundlich. Seine Frau hat mich mit dieser Mischung aus Mitleid und Hoffnung angesehen - weißt du, da ist es üblich, dass die Söhne daheim bleiben und die Töchter zu ihren Männern ins Haus ziehen. Im Haushalt herrschen harte Ränge - die älteste Frau, also in der Regel die Mutter hat das Sagen, dann kommen ihre Töchter, dann die Frau des ältesten Sohnes, dann die des nächst jüngeren uns so weiter. Die Schwiegermutter bestimmt über alles, was die Frauen machen, solange deren Männer nicht da sind. Sie sind wie Sklavinnen. Und da freut sich die rangniedrigste Frau natürlich, wenn eine neue kommt, die unter ihr ist, auch wenn sie zugleich Mitleid mit ihr empfindet..."
Jenna stockte und man hörte diesem Stocken an, dass das noch nicht alles gewesen war...
Jelena:
Jelena winselte mitfühlend. Das hörte sich doch sehr nach Großtante Vladimiras Fuchtel an. Auch wenn bei ihr alle stramm gestanden hatten, egal ob Sohn oder Tochter, eingeheirate oder nur verschwippschwägert.
"Und dann?"
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