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Autor Thema: Auf dem Weg nach Bourvis  (Gelesen 6719 mal)

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Mel

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #45 am: 26. Nov 11, 15:27 »
"ich hoffe nicht. Er ist durch das Portal gesprungen... und müsste jetzt irgendwo da sein, wo Gorix war, als wir damals die Gebeine der Agathe gesucht haben. Irgendwo auf der anderen Seite, in Szivars Reich."
Weder Stimme noch Gesicht verrieten, was Lorainne fühlte. Sie war unergründlich und schilderte das Geschehen neutral, so, als ginge sie das gar nichts an.
"Als wir ankamen, hatten sie Luthor und Wydh entführt und folterten sie. Wir hörten ihre Schreie und konnten erst nichts tun. Und dann sind wir in diese Ruinen und haben sie rausgeholt. Ich habe noich niemanden, weder Kriegsgefangener noch Verwundete, gesehen, die so zugerichtet waren... Zumindest leben sie. Was mit Wassillij ist, wissen vielleicht die Magier, vielleicht kann man ihn zurückholen, aber.... vielleicht hat er auch sein Leben gelassen, um uns alle zu retten. Er sagte, dass es ihm vorherbestimmt ist, also hat er nur seine Bestimmung erfüllt, aber dennoch sollte man nichts unversucht lassen, ihn aus Szivars Reich zu befreien. Gorix hat dort auch eine Weile überlebt, ich bin sicher, Wassillij kann das auch!"

Offline Vanion

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #46 am: 26. Nov 11, 15:44 »
Vanion verspürte eine vage Trauer. Er hatte Wassilij nicht wirklich gekannt, aber ihn als Kameraden zu schätzen gelernt. Man fühlte sich sicherer in seiner Gegenwart.
Die Erkenntnis, dass selbst jemandem wie Wassilij Schlimmes passieren konnte, schüchterte Vanion ein. Auf dem Grenzfest in Brega hatte er kurz mit Wassilij geübt, eine solche
Waffenkunst war nicht leicht zu schlagen. Wassilij würde schmerzlich vermisst werden. Vanion dachte auch über Jelena nach. Wassilijs Verschwinden musste ein gewaltiger Schicksalsschlag für sie sein. "Ich wünschte nur, ich wäre da gewesen. Alleine, weil ich mich Luthor gegenüber immer noch verpflichtet fühle für das, was er vor Engonia für mich tat." Lorainne hatte schon recht, es gingen zu viele Gefährten verloren. Die einen waren einem näher, die andern weniger nah. Dennoch schmerzte jeder Verlust.
"Wir müssen uns zusammenraufen. Wir alle. Und hoffen, auf Simons Genesung und Wassilijs Rückkehr."
Vanion bewunderte sich selbst. Verdrängung war etwas so einfaches, er dachte an seine Eltern, drängte dabei jedoch sämtliche Emotionen zurück. Selbst Wassilij konnte ihn nicht weiter runterziehen. Der junge Mann hatte in Engonia genug gesehen und genug Freunde verloren. Er hatte eine Mauer um sich selbst errichtet, die ihn ein Stück weit verroht hatte.
"Wie schnell Jelenas Worte doch Wirklichkeit werden", murmelte Vanion und starrte trübselig ins Feuer.
"LARP ist nicht ein Hobby, es sind mindestens acht oder so. Ich betreibe etwa fünf davon." RalfHüls, LarpWiki.de

Mel

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #47 am: 26. Nov 11, 16:24 »
"Quoi? Wieso Jelenas Worte und Wirklichkeit? was wusste sie?"
Alles schien auf einmal einzustürzen, was hatte Jelena gewusst? Vor allem woher? War sie möglicherweise eine Hexe?
"erzähl schon, was hat sie gesagt? was meinst du damit?"

Offline Vanion

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #48 am: 26. Nov 11, 16:32 »
"Jelena hat vor Engonia mit mir gesprochen. Sie hat mir viele Dinge erklärt, die die Realität betreffen - und wie wenig die Realität doch ritterlichen Idealen entspricht.
Sie sprach von dem plötzliche Verlust von Menschenleben, wenn man nur eine falsche Entscheidung trifft. Das kann eine Entscheidung wie die Simons sein - oder eine wie die Wassilijs. Es kann auch die Entscheidung eines Generals sein, einhundert Mann zu opfern, um eintausend zu retten. Sie sagte mir auf den Kopf zu, dass ich Unrecht hätte, was den Krieg angeht. Jeder Mann verroht, wenn er sein Schwert in den Leib eines anderen Menschen treibt. Das ist auch mir passiert. Ich war damals entsetzt von Jelena, wie emotionslos sie über diejenigen sprach, die sie verloren hat. All diejenigen, die unter ihren Händen wegstarben. Ich hielt sie für ein Ungeheuer, weil sie um all die, die sie verloren hatte, nicht zu trauern schien, sondern sie aufzurechnen schien gegen die Toten des Lupus. Und jetzt, nach der Schlacht? Wassilijs Tod berührt mich nicht. Ich lasse es nicht zu. Ganz so, wie ich nicht wirklich zulasse, über Simon nachzudenken. All das hat sie mir vorausgesagt, und nun stehe ich hier und bin ein Stück weit das, was ich an ihr verabscheue geworden. Ihr nehmt kaum Abstand von denjenigen, die ihr verliert. Ihr lasst sie immer wieder in Eure Gedanken. Für diese Stärke hab ich Euch schon immer bewundert."
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Mel

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #49 am: 26. Nov 11, 20:30 »
Lorainne war über Vanions Ausführungen erleichtert und musste im ersten Moment über sich selbst und ihre dummen Gedanken grinsen.

"Das hat wenig mit Stärke zu tun, Vanion. Ich bin nicht wie Jelena oder Simon und oft bedaure ich das. Aber ich habe nicht die Fähigkeit, die Toten gegeneinander aufzurechnen. Und ja, man verroht, und nur deshalb lass ich die Toten in meine Gedanken, damit es mir nicht passiert. Als wir in die Ruinen bei Tailon Orikos eingedrungen sind, um Wydh und Luthor zu retten, hatte das nichts mit Mut zu tun, im Gegenteil: ich war einfach nur nicht stark genug, ihre Schreie länger zu ertragen. Niemals könnte ich das vollbringen, was Jelena im Krieg jeden Tag getan hat: Die Schreie der Verwundeten ertragen, eher würde ich mein Leben lassen."
Lorainne lächelte traurig: "Sobald man einmal ein Schwert in der Hand hatte und den ersten Menschen getötet hat, beginnt es, das Töten und das Sterben macht einem dann keine Angst mehr, nur noch das Leiden. Und nur darum lass ich es zu, dass sich die Toten in meine Gedanken schleichen: Damit ich immer wieder an ihr leid erinnert werde und niemanden unnötig lange leiden lasse, kurz und präzise töte, wenn es sein muss. Und dass ich die Stärke besitze, Leid, das mir widerfährt durchzustehen. Und es gibt mir immer wieder Hoffnung. Je mehr ich an wassillij und Simon denke, desto überzeugte bin ich, dass sie gerettet werden können, auch wenn ich in schwachen Momenten daran zweifeln mag."
Sie schaute Vanion nun direkt in die Augen:" Verstehst DU jetzt, warum ich will, dass Du dich mit Deinen Eltern aussprichst? Man leidet einfach unter seinem schlechten Gewissen, ich weiss das nur zu gut. Darum muss man sein Gewissen erleichtern und Fehler der Vergangenheit bereinigen. MEINE Familie hat NICHT zu leiden, wenn ich es verhindern oder ändern kann!"

Offline Vanion

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #50 am: 27. Nov 11, 18:06 »
"Oui, j'ai compris ca. Aber ich hab es zur Kunst erhoben, die Toten auszublenden, so wie ich meine Eltern aus meinen Gedanken verdrängt hab. Aber vielleicht kann ich noch einen Rest meiner Achtung retten: als wir in Engonia eingefallen waren, begannen Knechte, aufrechte Männer zu drangsalieren, die sich ergeben hatten. Sie hatten Mordlust in den Augen und ähnelten mehr Tieren als Menschen. Ich hab mich dazwischen gestellt, obwohl ich selbst nichts mehr empfand - weder Freude über den Sieg, noch Trauer über all die Toten in der Schlacht. Ich erinnerte mich nur an die Worte Ranias und Lalaiths: dass der Krieg schon zu viele Leben gefordert habe. Dort fand ich den Mut, den ich immer gesucht habe." Vanion sah zu Bernard und Fulgrim hinüber. Er fragte sich, was die beiden nun von ihm dachten.

"Wie auch immer. Ich reise nach Fanada." Vanion war sich gar nicht so sicher, ob er wirklich nach Fanada reisen würde. Ob er den Mut aufbringen würde, dorthin zurückzukehren an den Hof seines Vaters. Was wäre, wenn er dort angekommen wäre? Und was wäre, wenn er nicht zu seinen Eltern reisen würde? Er würde Lorainne nicht mehr unter die Augen treten können.
Der junge Mann empfand die einfache Reise nach Fanada plötzlich als beschwerlicher als die Suche nach Agathes Leichnam, beängstigender als die Aussicht, in die Schlacht um Engonia zu reiten. Es war für ihn klar, dass er Lorainne morgen verlassen würde, mit einem frischen Pferd und neuen Vorräten versorgt. Aber würde er wirklich nach Fanada reisen?
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Mel

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Re: Auf dem Weg nach Bourvis
« Antwort #51 am: 27. Nov 11, 20:27 »
Lorainne schien seine Zweifel zu spüren. Tatsächlich ähnelte er ihr mehr, als sie wahrhaben wollte. Vanion war nur wenig jünger als sie, eigentlich viel zu alt, um Knappe zu sein, aber immerhin hatte auch Ninefinger seine Knappenzeit hinter sich gebracht, und der war im Vergleich zu Vanion steinalt. Ja, Ninefinger war sogar im Vergleich mit Simon alt.
Als sie Vanion ins Gesicht sah, schwanden seine Konturen und wurden durch die Antoines ersetzt. Jetzt war es, als blickte sie wirklich in einen Spiegel. Sie sah Antoines gerade Nase, die dunklen Augen und wie er genauso verbissen drein blicken konnte, wie sie. Unwillkürlich streckte sie die hand aus, wollte das Gesicht ihres Bruder berühren, sein Lächeln festhalten.
Doch dann klärte sich ihr Blick wieder und sie sass Vanion gegenüber.
Sie hielt nur einen kurzen Moment in der Bewegung inne, dann senkte sich ihre Hand auf seine Schulter.
:"Reise morgen nach Fanada, stell dich Deiner Vergangenheit. Bekämpfe Deine Dämonen und mach mich stolz!"