Unter unbeschwerten und unwichtigen Gesprächen kehrten die beiden ins Lager zurück. Freundlich winkte Vanion Anders zu, als er sie, die Hände voll mit schmutzigem Geschirr, zwischen den Männern hin- und herwuseln sah. Man schien sie gutmütig zu belächeln, und das freute den Knappen: die leichte und freundliche Art des Kenders schien ihr in diesem Haufen verschlossener, bärbeißiger Gestalten zugute zu kommen. Abgesehen davon war sie eine Frau, und die Waldläufer schienen sich gradezu darin zu überschlagen, ihr für ein Lächeln oder ein Grinsen zur Hand zu gehen. Natürlich fiel auch manche Zote, aber unter Lorainnes strengem Blick verstummten die Stimmen.
Rasch suchte Vanion Fulk auf, der bereits dabei war, einige Aufwärmübungen mit drei, vier anderen durchzuführen. Der Knappe stellte sich dazu, dehnte ein wenig die Arme und Beine, versuchte, sich zu lockern. Dann packte er einen der langen, schwertähnlichen Stöcke von einem Ständer, warf einen zweiten Alain zu, und stellte sich in Position.
Eine wohlbekannte Ruhe ließ sich in Vanion nieder. Kampf! Das konnte er. Dieses ständige Gerede, seine Herkunft, Savaric, all das verblasste nun. Schon als Kind hatte er mit Stöcken gekämpft, und in seiner Vorstellung wurde nun auch die geschälte, dünne Eiche in seiner Hand zu einem glänzenden, scharfen Schwert. Die gepolsterte Kleidung, die er trug, wurde zu einer stählernen Rüstung, und sein Gegenüber, der in einer Mischung aus dickem Stoff und Lederkleidung gewandet war und ihn wachsam beäugte, wurde zu einem blau-schwarz tragenden Soldaten des Lupus. Pure Kraft ging von Vanion aus, als er in einer schnellen Vorwärtsbewegung aus seiner Haltung ausbrach und mit einem beidhändigen Hieb nach Alains Gesicht schlug. Die Stöcke krachten aneinander, Vanions Hieb glitt nutzlos an der Verteidigung seines Gegners ab. Schlag auf Schlag tauschten die beiden nun aus, wilde Kraft, rasche, treibende Finesse, und flinke Beinarbeit führte die Kontrahenten immer wieder zusammen und auseinander. Links, rechts, rechts, links, krachend prallte immer wieder Holz auf Holz, Holz auf Haut, Haut auf Haut, bis Alain schließlich wankte und einen Treffer gegen die Hüfte hinnehmen musste.
Keuchend warf Vanion den Stock zur Seite und stützte die Hände auf die Knie. Alain, der sich die Hüfte hielt, kam auf ihn zu und musterte ihn widerwillig. "Für einen Tangaraner - pas mal!", murmelte er. Unmut zuckte über Vanions Gesicht, und härter, als er es unter anderen Umständen vielleicht gesagt hätte, fuhr er den Caldrier an: "Tangaraner, na und?! Je suis un ecuyer, ma naissance n'est pas important! Ein Tangaraner ist nicht schlechter oder besser als ein Caldrier." Kurz schwieg er, dann giftete er: "Dieser Tangaraner ist jedenfalls besser als du!"
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In einem anderen Teil des Waldes zwitscherten die Vögel, als wäre es der schönste Tag der Welt. Das Blattwerk rauschte, und die Vormittagssonne schien auf das grüne Blätterdach des Forêt d'Artroux nieder. Warmes Licht fiel auf ein paar Rehe, brach sich in einem wild sprudelnden, über Steine hinabspringenden Bach, und fiel auch auf ein Gebüsch, in dem sich Dorell versteckt hatte und die Nacht verbracht hatte. Ein kleiner Marienkäfer krabbelte den Arm des Valkensteiners hinauf bis zur Schulter, wo er die Flügel spreizte und davonflog. Nur wenige Steinwürfe von Dorells unbequemen Nachtlager flackerte ein kleines Feuer. Knuspriger Speck brutzelte dort über den Flammen, und drei abgerissen aussehende Männer unterhielten sich. Dorell hatte scharfe Ohren, und so konnte er fast jedes Wort verstehen:
"Meinst du, wir werden heute fertig?" Ein halblautes Gespräch entspann sich.
In dessen Verlauf konnte Dorell erkennen, dass es sich bei diesen Männern wohl um Fallensteller handelte. Einige Fallen waren am Vortag schon geleert worden, doch waren einige ausgeraubt worden. Darum ging es nun:
"Man munkelt, dass dieser Wald verwunschen ist. Kennst du nicht die Sage vom Grünen Ritter? Er soll sich hier umtreiben, mit seinen Männern aus Schatten, die sogar eins mit den Bäumen werden können! Bei Naduria, ich bin mir sicher - das ist eine Warnung! Wir sollten hier gar nicht sein!" Doch die anderen beiden lachten nur über ihren ängstlichen, allzu abergläubischen Freund. "Jules, wirklich. Der Grüne Ritter ist eine Geschichte für Kinder, nicht mehr! Aber eins macht mir wirklich Sorgen: wenn unsere Fallen aufgebrochen wurden, dann gibt's hier Räuber, Wilderer, vielleicht üblere Halunken. Weißt du nicht mehr, vor einigen Monaten?! Als dieser Alamar-Bruder aus dem Wald kam und diese wilden Geschichten erzählt hat? Ganz geheuer ist's hier wirklich nicht, sonst hätte Roquefort nicht diese Männer angeheuert, die hier nach dem Rechten sehen sollten. Und was ist aus denen geworden, hm? Da hört man auch nichts von!"
Langsam wurde Dorell klar, was er hier vor sich hatte: einfache Männer, die mit (mehr oder weniger legaler) Jagd und Fallenstellen ihr täglich Brot verdienten. Was immer der Waldläufer suchte, hier würde er es nicht finden.