Wenn es nicht so angsteinflößend gewesen wäre, dann hätte es eine verdammt gute Geschichte abgegeben. Aber so...
Volker schüttelte den Kopf und klopfte seine Pfeife aus, mehr eine nervöse Angelegenheit als alles andere, da ihm der Tabak schon vor einigen Tagen ausgegangen war. Er besuchte den Tiorsschrein jetzt schon seit Jahren auf seiner Runde durch den Wald und hatte sich bei den Wanderpriestern und Asketen recht wohl gefühlt.
Der Schrein war zu klein um einen ständigen Priester zu haben aber immer mal wieder suchten ihn alte Wölfe auf um Zeit hier zu verbringen. Volker war bereits sein ganzes Leben der Holzhändler in dieser Gegend und erfüllte inoffiziell die Funktion eines Dorfschulzen, da er der einzige war der regelmäßig seine Runden drehte und jeden noch so entlegenen Köhler kannte. Ihm fiel auf wenn jemand abhanden kam und er war derjenige der Waren und Werkzeuge vom Markt in den Wald brachte. Zu seiner Runde gehörte auch der Tiorsschrein im Herzen des Waldes.
Volker wusste nicht genau zu welcher Gelegenheit der Schrein dort aufgestellt worden war oder wann man es getan hatte, aber innerhalb der Priesterschaft schien er bekannt zu sein, denn es vergingen selten einige Wochen in denen nicht mindestens ein Geweihter, Asket oder Novize dort anzutreffen waren.
Der letzte hatte den Schrein unmittelbar nach dem Jahreswechsel verlassen und bisher war sowohl der Schrein als auch die kleine Wohnhütte leer gewesen wenn Volker vorbeigeschaut hatte.
Heute war es auch so gewesen und er hatte achselzuckend die Tür wieder geschlossen und darauf geachtet das die Fensterläden gut befestigt waren. Er war so vertieft in die Arbeit gewesen, dass er nichts gehört hatte.
Als er sich umdrehte stand sie vor ihm.
Blutüberströmt, darunter kreidebleich, die Augen eingeblutet so dass nichts weißes mehr zu sehen war. Gestandener Mann hin oder her, in diesem Augenblick hatte er gekreischt wie ein kleines Mädchen und war mehrere Ellen in die Luft gesprungen.
Sie hatte ihn regungslos angesehen und gewartet bis er sich soweit beruhigt hatte das er nicht mehr Gefahr lief einen Herzklabaster zu bekommen. Ihre Stimme war rauh und krächzend, wie bei jemandem der sich die Seele aus dem Leib geschrien hatte.
Er hatte die Hütte für sie geöffnet und das Feuer am Schrein entzündet, hatte einen Eimer Wasser von der nahe gelegenen Quelle geholt und versprochen Besorgungen zu erledigen.
Er klopfte wieder seine Pfeife aus und begann dann nervös an dem Stiel herumzukauen. Er war froh wenn er im Wirtshaus saß und sich den Schreck von der Seele reden konnte.
Er schnalzte und trieb seine Pferde zu einer schnelleren Gangart an.