Lorainne sog den Geruch nach Gras, Blumen und Pferden ein und schloß für einen kleinen Moment die augen in liess sich auf eine Blumenwiese im Sommer entführen.
Als Anders sie endlich los ließ, waren ihre Wangen gerötet und sie sah deutlich entspannter aus.
"Natürlich wirst du das. Und wenn ich mich jedes Mal, wenn ich gehe, verabschieden würde, hättest Du keinen Grund, mich zu suchen und mir eine Standpauke zu halten."
Sie bot Anders einen Platz und etwas zu Essen an, denn der Magen der Kenderin knurrte verdächtig und hörte sich wie ein wütender Wolf an, der sich im nächsten Moment über seine Beute hermachen würde.
Nichts anderes tat auch der Kender und unterbrach das Essen lediglich, um ein paar Schlucke verdünnten Wein zu trinken, den Sophie ihr eingeschenkt hatte.
Währenddessen beobachtete Lorainne Anders sorgenvoll.
Ihr inneres Leuchten, dass sie nicht einfach nur bewundert hatte, sondern auch brauchte, wie eine Motte das Licht, glimmte nur noch schwach, wie eine Kerze, die kurz davor war, zu erlöschen, sich aber trotzig dem Sturm entgegenstellte.
Mal flackerte sie bedenklich, aber sie erlosch nicht.
Nachdem Anders gegessen hatte, war es offenbar an der Zeit, ihr alles zu erklären. Was geschehen war, was sie vorhatte.
Doch in dem Moment, in dem sie hr das alles sagen wollte, fehlten ihr die Worte.
Sie hatte dem Kender einst eine Familie, ein Zuhause versprochen, und beides hatte sie nicht halten können. Benjen war fort, Silas, sie selbst.
La Follye sicher ein friedlicher Ort, aber zugleich ein Ort, der nur friedlich war, weil sie ein Opfer gebnracht hatte.
Sie wollte Anders um Verzeihung bitten, aber auch diese Worte kamen ihr nicht über die Lippen.
So nestelte sie an ihrem Halsausschnitt herum um zog schließlich eine runde Münze an einer langen Kette hervor. Benjens Distel. Der Einzige, der eine solche wie sie besessen hatte, denn nur die La Follye besaßen diese Münzen, und Benjen war einer gewesen, ob er nur diesen Namen trug oder nicht.
Behutsam legte sie die Distel auf den Tisch. Ihre Finger fuhren zärtlich die filigranen Formen nach.
Der Raum schien plötzlich leise, das Lachen der anderen Gäste in weiter Ferne, das Knistern des Feuers, das Heulen des Windes draußen schien aufgehört zu haben.
Langsam schob sie die Kette zu Anders. Eine Geste, die viel bedeutungsvoller war, als jede Entschuldigung, jede Erklärung.
Ihre Hand lag noch immer auf der Kette, noch nicht bereit, diese Kostbarkeit preiszugeben.
"Benjen hatte bestimmt seinen Grund, warum er sie dir anvertraut hat." Ihre Stimme war kaum hörbar, und doch überraschend fest.
"Auch wenn ich mein wort nicht unmittelbar halten konnte, wirden die meinen auch Deine Familie sein. Und La Follye wird dir ein Zuhause bieten, wenn Du willst und eines Tages bereit bist, zurück zu kommen."
Sie blinzelte einige Male -vielleicht war ihr nur der Rauch ins auge gekommen, vielleicht waren es auch ungeweinte Tränen- als sie die Hand hob.
Silbrig blitzte die Distel im Schein des Feuers.