Diese pulsierende, dicke, fette Ader. Er kann das Blut unter der Haut pulsieren sehen. Wie in Trance bewegt sich die schlanke, kurze Klinge darauf zu. Die Haut spannt sich, gibt nach - und hervor springt der Lebenssaft. Tiefer und tiefer bohrt sich das Messer hinein, hinein in Savaric de Roqueforts Hals.
Soviel Blut, es hört nicht auf, es hört nicht auf, es hört nicht auf! Vanion kniet über dem Leichnam seines Onkels, und das Blut trieft und fließt und benetzt den Boden. Es versickert nicht, nein, es wird schwarz, und steigt und und steigt und steigt! Er will aufstehen, fortlaufen, doch seine Hand hält den Griff des Dolches und lässt nicht los. Das Blut steigt und steigt und steigt!
Luft! Atmen! Luft! Die dicke Flüssigkeit dringt gegen seine Lippen, er schnappt nach Luft, da dringt es in seine Kehle vor und er erstickt und erstickt und erstickt. Endlich öffnet er den Mund und heißt den warmen, feuchten Tod willkommen. EIDBRECHER! EIDBRECHER! EIDBRECHER! Es reißt ihn empor in die Schwärze des Lebens, vor ihm leuchet eine weiße Maske voller Häme. Der Mund verzieht sich und spricht Worte, die kein menschliches Ohr hört. Die Worte ertönen laut wie Kathedralenglocken in seinem Kopf, sie schreien, sie durchdringen ihn, sie klammern sich an ihn, erdrücken ihn, erwürgen ihn! EIDBRECHER! EIDBRECHER! EIDBRECHER! Dreh dich, dreh dich, dreh dich.. von vorn! Und wieder kniet er vor seinem Onkel, und wieder drückt er unaufhaltsam die Klinge in seine Kehle, und wieder steigt das Blut...
Das Bett, in dem Vanion die Nacht verbracht hatte, war aufgewühlt. Die Decke war längst zu Boden gefallen, das Kissen zerdrückt und zerissen und alles war von Angstschweiß durchtränkt. Vanion schreckte hoch und in seinem Kopf klang es noch nach: Ein Held wolltest du sein, nur Gutes tun, das Andenken der Toten ehren, Ritter werden.. dabei bist du nichts als ein Eidbrecher und Sippenmörder. Hihihihi... Dreh dich, na los!
Lorainne war fort. Ihr Schwert war dem Lilienorden verschworen, und La Follye für sie gewonnen und doch verloren. Sein Knappeneid war gebrochen, zweifach. Der gezahlte Preis war für alle unglaublich hoch gewesen. Und nun? Er war Vanion Bachlauf. Kein Knappe, kein Ritter. Die Beweise für seine Herkunft waren vollständig vernichtet worden, es gab nichts mehr, was ihn jemals zu einem Roquefort machen würde.
Vanion Bachlauf.
Und Vanion Bachlauf besaß eine gewisse Unverwüstlichkeit. Eine Härte, die ihn die letzten Monate hatte durchstehen lassen. Und eine gewisse pragmatische, tangaranische Unbeschwertheit: Gestern war ein Ende. Heute ist ein neuer Anfang. Und gute Anfänge beginnen mit einem guten Frühstück.
Wenig später saß Vanion in der Halle, in der gestern noch eine Hochzeit hatte stattfinden sollen, und aß ein dringend benötigtes Frühstück.