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Stand der Gnade

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Simon de Bourvis:
Blanchefleur lächelte kühl.
"Danke, liebe Tante. Wie stehts ist euer Rat so willkommen wie hilfreich.
So wollen wir mit Lavinia Tutulinas Hilfe Vanions Herz zu seinem eignen Schutze mit Güte erweichen."

Ein scharfer Blick erstickte aufkeimendes Gelächter.

"Mein lieber Junge, es existiert kein Baraque im Stammbaum, es gibt kein Schriftstück, dass Deine Behauptung stützt, weder bezüglich Deines Standes, noch den Zweifel an Savarics!
Doch sicher steht es Dir frei Zeugen zu suchen und vor Gericht zu ziehen.
Dort kannst Du dann mannhaft deinen Streit führen...gegen ein vierjähriges Mädchen.
Dort lässt du Deine Zeugen aufmarschieren. Und welch ein Anblick das sein wird.
Brabbelnde alte Ammen und Greise, die sich kaum auf den eigenen Namen besinnen können, vielleicht noch zwielichtige Gestalten aus Savarics Gefolge, denen die Unredlichkeit aus den Augen spricht.
Die sollen dann nicht nur beweisen, dass Du vom alten Roquefort abstammst, sondern auch die Familie und den Namen eines Waisenmädchens in den Schmutz ziehen.
Aber dann wird es noch besser, denn dann lässt Du Deine Freunde als Leumundszeugen rufen!
Priester aus Hahnekamp, die sich mit ihren Brüdern die Schädel einschlagen, Magier, Tangaraner, Wilde!
Und die zeigen uns dann, wer genau Vanion ist, jedes kleine Detail!"

Der Baron erhob sich und lief auf und ab, die Rede eines Advocaten vor Gericht imitierend.

"Vanion, geboren und erzogen als Bauer.
Vanion, der Trunkenbold.
Vanion, der Frauenheld und Hurenbock.
Vanion, Vater eines Bastards.
Vanion, Freund von Seeräubern und zwielichtiger Gestalten.
Vanion, angeklagt als Mörder.
Vanion, valkensteiner Straflegionär.
Vanion, Eidbrecher.
Vanion, unsteter Gesell, nie lange am selben Ort."

Der Baron hielt inne und sah Vanion in die Augen.

"Wird das reichen, um das Mündel eines Ritters der Königin zu schlagen?"

Er drehte sich um und nahm wieder Platz.

"Nein mein Junge. wird es nicht."

Er seufzte. Jetzt klang er fast mitfühlend, unmöglich zu sagen, ob es gespielt war oder nicht.

"Ich mache Dir ein einmaliges Angebot.
Ich will es glauben.
Ich werde Dich hier und jetzt vor Zeugen anerkennen, als Vanion aus Roquefort, Bastard des Bastardes des alten Roquefort.
Im Gegenzug erklärst DU hier und jetzt vor Zeugen, dass es keine Beweise für einen Zweifel an der Abstammung von Leah de Roquefort gibt und Du ihren Erbanspruch nicht in Frage stellst."

Lorainne:
Ein tangarianischer Bauer, der das Interesse firngardischen Adels auf sich gezogen hatte.
Lorainne fühlte sich unwohl in Ihrer Haut. Gefühle schienen gegeneinander anzukämpfen. 
Einerseits Rache an den Roqueforts und an Vanion für seinen Einbruch.  Doch dafür hatte er ihr Leben gerettet,  als sie bereit gewesen war zu vergeben.
Jetzt musste sie ihm vergeben und das war die schwerste Prüfung, die Lavinia ihr auferlegt hatte.
Denn Vanion hatte nicht nur den Stand verraten, den er als Knappe innehatte.  Er hatte auch die Freundschaft verraten- und nur deswegen war Lorainne s Herz noch voleer Groll.
Zugleich hatte sie schreckliche Angst, dass er tatsächlich Anspruch auf Roquefort erheben könnte- und damit die Zukunft von einem kleinem Mädchen,  das sie mit auf die Welt geholt hatte, dass eine Weile ihr Mündel gewesen war, dass sie -trotz ihrer Abstammung- lieb gewonnen hatte, gefährden würde.

Bei der Aufzählung Vanions Untaten hielt sie die Luft an. Es war soviel. Und über alles hatte sie hinweggesehen. Um der Freundschaft Willen. 
Wie gern hätte sie sich einfach entfernt.
Doch das war ihr nicht erlaubt. So blieb ihr nur ein stilles Gebet zu den Göttern, als Sue glaubte, den Baron durchschaut zu haben.
Dieser Handel, den er vorschlug.
Es gibt ihm nicht um Vanion. Der war ihm völlig gleichgültig. Er war nur ein Tangarianer,  maximal ein notwendiges Übel.
Es ging ihm um ein firngardischen kleines Mädchen. Das er beschützen musste, weil es niemanden mehr hatte. Für dessen Zukunft er sorgen musste.
Erleichterung und Dankbarkeit durchfluteten sie und sie entspannte sich merklich.
Insgeheim schickte sie ein Gebet an Lavinia Placatio und betete, dass auch Sie einst fähig sein würde, sich mit Vanion ohne Bedingungen zu versöhnen.

Vanion:
Mit gesenktem Kopf rieb Vanion seine tauben Hände aneinander. Sie prickelten, als langsam wieder Blut hineinlief.
Die Worte Blanchefleurs trafen tief. Widerwillig musste Vanion sich eingestehen, dass Blanchefleur gradezu meisterhaft auf der Klaviatur seiner Vergangenheit spielte, während er zeitgleich Vanions Anspruch so erscheinen ließ, als würde er allein auf Kosten Leahs durchgesetzt werden - und als wäre ebendies Vanions Absicht.

Doch dann kannst du mannhaft deinen Streit führen....gegen ein vierjähriges Mädchen.

Seine Augen suchten nach Lorainne, doch sie schien seinem Blick auszuweichen. Vor einem Jahr noch war er ihr so nah gewesen. Sie hatte sich ihm anvertraut, ihn als Roquefort akzeptiert. Und nun waren nichts als Scherben übrig. Sein Blick wanderte weiter, über die Männer des Barons hin zu dem harten, verschlossenen Gesicht der Isabeau de Lioncoer. Vor nicht ganz einem Jahr war es gewesen, als er seine Schwüre bekräftigt hatte, und dann hatte es keinen Monat gedauert, bis er alles in den Wind geschlagen hatte. Worte.. Worte sind Wind. Taten, darauf kommt es an.

Und mit diesem Gedanken fasste er wieder Mut.

"Vanion, der Bauer aus Tangara, war es, der in den Krieg gegen Barad Konar zog und Seite an Seite mit den Männern aus Bourvis focht."
Tief holte er Luft.
"Vanion, der Trunkenbold, war es, der nach Ahrnburgs Fall beschloss, ein Pilger zu werden, anstatt den einfachen wie feigen Weg auf's Meer zu nehmen.
Vanion, der Frauenheld und Hurenbock, war es, der half, eine Edle Goldbachs von ihrem ewig währenden Leid zu erlösen."
Sein Blick auf die Baronin war streng und unerbittlich, aber ohne Feindschaft.
"Vanion, Vater eines Bastards, war es, der seine Rittermutter anflehte, Leah nicht gegen ihren Vater einzusetzen!
Vanion, angeklagt als Mörder, gezeichnet durch Valkenstein, war es, der fast zwei Jahre lang nach Lorainne suchte, als sie entführt war, und der sie am Ende fand!
Vanion, der das Vertrauen eines Flamen Magnus besitzt, war es, der die Gebeine der Flamina Agathe barg und den Tempeln Alamars übergab!

...Vanion, der Eidbrecher."

Nun schwieg er. Es war leicht, seine Sünden gegen seine guten Taten aufzuwiegen. Doch war all das nichts als Geplänkel, wie das langsame Abtasten zweier Krieger im Kampf, gewesen. Nun galt es.

"Vanion, der Eidbrecher. Der Feigling, der bei Nacht und Nebel fortlief. Der Ehre, Eide und Freunde betrog, weil er nicht den Mumm hatte, seinen eigenen Onkel zu töten. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ich hier vor Euch stehe, Euer Gnaden, weil ich Anspruch auf das Erbe erhebe, welches mein Leben als Knappe beendete.

Vanion, der Feigling, kehrte zurück, als Lorainne in höchster Not in ihrem Blute lag. Vanion, der Eidbrecher war es, der am Ende die Klinge Savarics in seine eigene Kehle rammte. Vanion, der Ehrlose, hatte nichts zu gewinnen durch diese Tat. Gegen Alamar hatte Vanion sich versündigt, und nun zog er durch einen Sippenmord den heiligen Zorn Lavinias auf sich. Doch damit wurde La Follye gewonnen. Nicht alleine dadurch, gewiss, doch was wäre La Follye ohne eine La Follye? Dort würde nun der Hirsch auf den Bannern wehen, und Savaric würde weiter mit dem Täuscher paktieren. Der Eidbruch mag damit nicht fortgewaschen sein, doch ich tat, was ich tat, ohne einen Gedanken auf Ruhm oder Gewinn. Ich tat es, weil ich meine Freunde, meine - Familie schützen wollte."

Endlich sah er Blanchefleur an.
"Ich flehe Euch an, Euer Gnaden: Glaubt mir, dass ich Leah kein Haar krümmen möchte! Sie ist meine Cousine, und sie ist das Unschuldigste und Reinste, was auf Roquefort zu finden ist! Doch möchte ich genausowenig mein Erbe verleugnen. Vanion Bachlauf gibt es nicht länger, und ich habe es als letzter von allen erkannt - doch ich habe es erkannt."
Seine Stimme zitterte.
"Wenn Ihr mich als Bastard aus Roquefort anerkennt, mit allen Folgen und Implikationen, und mir Euer Wort gebt, dass an den Feuern Roqueforts stets ein Platz für mich ist - so will ich verzichten auf Lehen und Erbe."

Es tat weh. Vier, fünf Jahre hatte er gekämpft - und nun entglitt ihm der Lohn. Doch er hatte die Götter erzürnt, und dies war gewiss Teil ihrer Strafe.

"Allein eine Bitte möchte ich äußern, so Euer Gnaden es mir gestatten."

Isabeau Lioncoeur:
Die Baronin lächelte Blanchfleur nachsichtig an, so wie man ein kleines, trotziges Kind anlächelte welches mit dem Fuß aufstampfte.
Sie enthielt sich jedweden Kommentars und machte sich eine geistige Notiz dafür zu sorgen, dass seine Gerstenernte in diesem Jahr vernichtend ausfallen würde.
Mal sehen ob seine Tante gut genug für einen Kredit ist...

Sie hörte ruhig zu und bedachte Vanion mit einem vernichtenden Blick als er das Wort an sie richtete.
Wenn es nach ihr ging würde er am nächsten Baum aufgeknüpft werden und damit wäre die Sache endgültig beendet.

Simon de Bourvis:
Blanchefleur klatschte in die Hände.
"Wie schön, dass wir uns einig sind! So lass uns deine Bitte hören, niemand soll sagen, ein Bittsteller habe an meinem Hofe kein Gehör gefunden."

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