Die leichte Regung im Bett über ihr ließ Stella einen kurzen Moment hochschrecken und den Dolch, der neben ihr lag greifen, doch innerhalb von Sekundenbruchteilen entspannte sie sich wieder als sie merkte, dass es nur Balerian war, der Anstalten machte aufzustehen.
Das ruckartige Hochschrecken quittierte ihr Kopf auch sofort mit heftigen Kopfschmerzen und Schwindel und das helle Licht, das durch die Fenster auf ihr Bett schien, blendete sie.
Mit einem leisen Stöhnen zog sie sich die Decke über den Kopf.
Der vergangene Abend rächte sich wohl immer noch ein wenig.
Dieser elende Phylakter, den die Magier und Priester gemeinsam in schwieriger Kleinarbeit zerlegt hatten, hatte ihr alles abverlangt, und noch mehr.
Irgendwann wusste sie selbst nicht mehr, woher sie noch die Kraft genommen hatte und kaum war die erste Anspannung von ihr abgefallen, war sie wie ein nasser Sack in sich zusammen gefallen.
Das war auch der Grund, warum der gesamte Kampf gegen Atos für sie so weit weg war und sie das meiste davon verpasst hatte.
Doch das war es wert gewesen, immerhin hatten sie schlussendlich Erfolg und den Phylakter zerstört.
Auch wenn sie davon ausging, dass diese Szivarsbrut sich gleich wieder an die Arbeit machen würde - und er nun wusste, zu was sie in der Lage waren.
Atos war überheblich gewesen, doch glaubte sie auch, dass er durchaus Angst bekommen hatte - wenn er dazu noch in der Lage war.
Wären sie und Gorix doch noch fitter gewesen, dann hätten sie vielleicht doch noch den wahnsinnigen Plan versucht umzusetzen…
Hätte sie doch nur vorher gewusst, dass es ihm um den Alchemisten ging… Dann hätten sie ihn so viel einfacher in eine Falle locken können.
Langsam wurde ihr Blickfeld wieder klar und das wilde Feuerwerk in ihrem Kopf ließ wieder nach.
Über ihr merkte sie, wie Balerian sich langsam aus dem Bett erhob und ihre Gedanken wanderten nun zu dem Barden.
Balerian…So sehr sie ihn in den letzten Monaten vermisst hatte, sein Lachen, seinen Gesang, so sehr hatte sie sich auch in den vergangenen zwei Tagen schon gefreut, wenn er die Kontrolle übernahm. Nicht, weil sie Eolan nicht mochte, doch weil sie dafür auf Balerian verzichten musste.
Und zwei besondere Momente, die gleichzeitig so einfach waren, dass sie in Zukunft wohl wieder häufiger zum Alltag gehören dürften, hatten sich eingebrannt.
Das erste Mal, als Eolan ihm Platz machte im Kampf gegen die Kultisten und er erkannte, dass Balerian hier mehr ausrichten könnte, und sein Windstoß die Angreifer in etwa so überrascht hatte wie Sasha und sie.
'Ich BIN Balerian.'
Erleichterung und Freude hatte sich trotz der gefährlichen Situation in ihr breit gemacht und ihm daraufhin vorgeschlagen, mit vereinten Kräften die Angreifer noch weiter auseinander und zurück zu stoßen.
Und das zweite Mal war irgendwann im großen Raum des Haupthauses, wortloses Verständnis auf die Situation, der Humpen Bier, den er ihr hinhielt und ein verständnisvolles Lächeln füreinander. Und er wirkte einfach erleichtert, bei ihnen sein zu können.
Jaja, und die Lieder trichter ich dir schon wieder ein… grinste die Magierin in sich hinein.
Und jetzt sollte er bleiben. Balerian hatte ihnen am Vorabend gesagt, dass die beiden so nicht bleiben konnten, dass sie sich verbinden müssten und Eolan hatte bereits angekündigt, dass er gehen würde und Balerian seinen Platz überlassen würde. Doch nach der Unterhaltung mit Balerian glaubten sie nicht daran, dass einer der beiden völlig verschwinden würde, sondern dass sie nur nicht wussten, wie weit die beiden sich veränderten. Doch sie war Eolan dankbar für sein selbstloses Angebot, Balerian Platz zu machen, wenn es nicht klappen sollte.
“Guten Morgen, Balerian.”
Hilft ja alles nichts…
Die Nacht war viel zu kurz, doch die Lage des Spitals war weiter unklar und so rollte auch Stella sich langsam aus den Decken während ihr Blick über die anderen Betten wanderte und sie sich ankleidete. Jakopp war bereits aufgestanden, Sasha war entweder ebenfalls schon draußen, oder noch nicht zurück. Zumindest war sie nach dem langen Abend im Haupthaus nicht ins Bett gegangen wie es schien, und auf dem Weg ins Bett hatten Gorix und sie sie auch nirgends entdeckt.
Die Magierin konnte und wollte sich nicht vorstellen, was es tatsächlich hieß, einen guten Freund zu verlieren, so wie es wohl für Sasha nun war.
Sie zog den Stapel Ketten eine nach der anderen über den Kopf und hielt als letztes ein kleines Fläschchen mit einem silbrig schimmernden Pulver in der Hand. Nachdenklich strich sie mit dem Daumen über den feinen Draht, der das Fläschchen hielt und ein Mundwinkel zog sich zu einem kleinen Lächeln nach oben.
Sie hatte schon unglaubliches Glück, sowohl mit ihrer Familie als auch mit ihren Freunden.
Irgendwie änderte das kleine Fläschchen für sie nichts und gleichzeitig doch so viel.
Willkommen im Rudel