Die Gebiete in Caldrien > Das Caldrische Imperium
La Follye, 267 n.J.
Lorainne:
Der kommende Morgen war Still, trotz der Betriebsamkeit. Die, die frühstücken wollten, Taten das schweigend. Es war eine dieser unheimlichen Art von Stille, die aufkam, bevor ein gewaltiger Sturm losbrach.
Fulk hatte sich in seine besten Gewänder gekleidet und grüner samt leuchtete förmlich im lichte. Das Grün der La Follyes.
Und dann, als die Spannung fast nicht zu ertragen war, trafen die ersten Gäste ein. Erst nur einige Bauern, der Müller samt Familie, André, der Holzfäller, Bruder Johann aus Roquefort, netten und seine Familie, Menschen, die lorainne gemeint und geschützt hatte. Die Menschen, für die sie gestorben war.
Erst kamen sie nur vereinzelt die kleine Straße, die von der großen reichsstraße abzweigte, entlang, dann in einem nicht enden wollenden Strom.
La Follye schien aus allen nähten zu Platzen.
Simon de Bourvis:
Es wäre falsch gewesen, zu behaupten, Lorainne de LaFollye de Joux sei besonders beliebt gewesen.
Nein.
Für jeden, der sie bewundert, geschätzt oder gemocht hatte, gab es jemanden, der sie verachtet, verflucht oder verleumdet hatte.
Doch eines konnte man mit Fug und Recht behaupten: Den wenigsten war sie gleichgültig gewesen.
Als sich an diesem Morgen der Nebel einem Leichentuch gleich über dem Land lag, machten sich die, die ihr ihren Respekt zollen wollten und die, die sehen wollten, dass sie wirklich tot war, auf. Dazu kamen jene, die sich so ein Ereignis nicht entgehen lassen wollten.
Schon aus Höflichkeit waren da die Ritter der benachbarten Lehen.
Lorainnes Lehensherr, der Baron von Blanchefleur selbstredend, mit den Rittern in seinen Diensten.
Entfernte Verwandte aus Oscronne.
Der eine oder andere Ritter aus Beauxchamps.
Und natürlich die, die sie noch aus dem Krieg kannten.
Nach Brauch und Sitte hatten die Damen ihre besten Kleider aus den Truhen geholt, die Ritter in voller Rüstung hatten die Helme poliert und ihre Banner, Penons und Wipel zeigten stolz die Wappen ihrer Häuser.
Wären sie sich sonst auf der Strasse begegnet, so hätte es wohl nicht wenige kleine und grössere Streitereien gegeben, ein paar Duelle oder auch eine waschechte Prügelei.
An diesem Tag nickten sie sich auf der Strasse nur eisig zu und hielten ihre Zungen im Zaum.
Sie würden heute nicht nur eine der Ihren zu Grabe tragen, nein sie würden ihren Stand, ihr Land und ihre Art zu leben und zu sterben feiern.
Nun war Lorainne der Gegenstand von viel Getuschel und unzähligen Gerüchten gewesen.
Der Vater angeblich von den eigenen Bauern aufgeknüpft, angeblich aber entkommen und bis zu seinem Tod im Verborgenen in Fehde mit den Nachbarn, fast wie ein Strassenräuber sagte man.
Sie selbst unter falschem Namen in den Knappenstand getreten, dann die bekannten Geschichten von dem Mädchen dass im Krieg war und als erste Frau zum Ritter wurde.
Das Duell mit Simon de Bourvis.
Ihre zahlreichen Verlobungen, ihre Hochzeit bei der der Bräutigam erschlagen wurde.
Ein Kind aus einer geheimen Liebschaft, manche sagten: geheimen Heirat.
Und ihre Zeit in Lavinias Orden. Als niederste der Niederen.
Am Ende ein Tod auf dem Feld, nicht schnell und sauber, sondern langsam und dreckig.
Ihr Andenken war schwierig. Da war zuviel Absonderliches, als dass man es hätte gutheissen können. Aber auch zuviel Besonderes, als dass man sie hätte verdammen können.
Am Ende zählte für die Meisten vor allem eines: Eine Firngarderin, eine Ritterin, war im Kampf gefallen. Im offenen Kampf war sie unbesiegt geblieben, nur feige von hinten hatte der Feind sie überwinden können.
Für einen Tag würde das Gezänk also verstummen, bis sie Lorainne de LaFollye den Respekt erwiesen hatten.
Simon zupfte an seinem neuen Surcot herum und besah sich die Reiter, die nah und fern auf der Strasse zu sehen waren, die Banner, die sich vor und hinter ihm im leichten Wind wiegten, die leuchtenden Farben der Wappen und nickte.
Angemessen, fand er, dann trieb er sein Pferd weiter und schloss zu seinem Lehensherren auf.
Jeremias:
Die Nachricht hatte Voranenburg schnell erreicht und nach einer kurzen Absprache innerhalb der Familie hatten sich Damian und Leonie mit ihrer Tochter als Vertreter des Grafen gen Norden aufgemacht. Die Kutsche war modern und mit einem kleinen Metallofen versehen, damit auch das jüngste Mitglied der Voranenburger Familie mitreisen konnte.
Begleitet wurde die Reisegesellschaft neben dem kleinen Gefolge der beiden Priester von einer Abteilung Gardisten in gräflichem Livree. Diese sorgten auch dafür, dass die Kutsche auf der kleinen Straße nach Follye trotz des wachsenden Stroms voran kam. Und auch wenn viele einfachen Leute das gräfliche Wappen nicht erkannten, so erkannten und respektierten sie die daneben hängenden Zeichen der Sonne Alamars und der Kirschblüte Lavinias.
Fulk dagegen erkannte das Grafenwappen sofort und wusste, wer da auf den Hof gefahren war. Als Damian und Leonie ausstiegen, sah er ihnen beiden in die Gesichter. Während Leonie den Frieden einer Laviniapriesterin ausstrahlte und in ihrem Arm ein zufriedenes Kind lag, merkte man Damian eine innere Anspannung an. Sein Gruß gegenüber Fulk war kurz und knapp und während sich ihr Gefolge um die Kutsche kümmerte, ließen sich die drei Voranenburger den Weg zur Kammer weisen.
Sie nickten Ulric zu, der vor der Kammer saß und betraten die Kammer. Leonie übergab ihre gemeinsame Tochter ihrem Mann, der mit dunklem Blick auf den Körper Lorainnes schaute. Dann kniete sich die Laviniapriesterin nieder und betete leise. Vanion hörte nur einen Fetzen: „...und geliebte Lavinia, als deine Vertreterin vor den Menschen und deine geliebte Tochter, bitte ich dich, nimm den Schatten von deiner Dienerin Lorainne und runzelne nicht länger die Stirn. Nimm sie auf in deinen Schoß und schenke ihr deine Gnade, ...“
Als Leonie fertig geworden war, nahm sie das Kind und ließ Damian in der Kammer zurück. Dieser schaute sich Lorainne noch einmal an. Dann schaute er Vanion an. „Danke für die rechtzeitige Nachricht und die Gelegenheit.“ Er holte tief Luft und Vanion konnte in den Augen des Alamarpriesters sowohl Trauer wie auch Wut sehen. „Vielleicht kannst du mir beizeiten berichten, wie die Umstände ihres Todes waren...“ Noch bevor Vanion etwas sagen konnte, schob er nach: „Aber nicht jetzt. Hinter uns auf der Straße waren noch mehr Banner von hohen Häusern. Wenn du oder Fulk Hilfe brauchst, sag es mir.“
Er drehte sich um und verließ langsam die Kammer, warf dabei noch einen letzten Blick auf die tote Ritterin und berührte sie kurz an der Stirn.
Lorainne:
Plötzlich machte sich Unruhe breit. Man hatte eine weitere Reitergruppe entdeckt, das Banner flatterte unruhig im Wind. Ihre Ankunft war befürchtet worden, kam also nicht unerwartet. Dennoch hatte man gehofft, sie würden nicht kommen, doch die Familie konnte man nicht fernhalten.
So ritt die Gruppe in den Hof, ein weißes, schlangenartiges Wesen auf grünem Grund.
Marnois!
Auf schicksalhafte Weise hatte Marnois die Entfremdung zwischen Jules de la Follye und seinem Herren bestimmt, hatte er es doch gewagt, die Tochter des damaligen Barons zu heiraten, entgegen aller Vernunft.
Mit Marnois Verband man seit dem bruderkrieg vor allem Zank und Streit.
Nichtsdestotrotz hatte marnois lorainne unterstützt, als sie im ihr Lehen focht.
La Follye war stets Anlass des gezänks gewesen und nachdem die eine Fehde unter Rittern beigelegt war, war es an lorainne gewesen, die aufkeimende Fehde zwischen den Baronin zu verhindern. An dem Tag war sie ins Kloster eingetreten, da sie sich an ihre schwüre gegenüber ihren Herrn gebunden sah, sich aber nicht gegen ihre Familie stellen konnte. Sie wusste, wie sehr Vanion gelitten hatte, hin und her gerissen zwischen seinen Pflichten.
Fulk seufzte. Das hier ist doch kein Jahrmarkt!
Berengar von Thurstein:
An diesem Morgen stand Berengar früh auf. Er nahm ein reinigendes Bad, rasierte sich, ließ sich die Haare schneiden und frische verbände anlegen wo ihm noch immer die Rippen schmerzten. Seine Kleidung für den Anlass bürstete er sehr sorgfältig aus, und brachte dann schwarze Schärpen auf seinem Wappen, dem Wappen des Königreiches Lichttal und dem Vergissmeinnicht des Bundes der Wehrenden Streiter vom Spital der gnadenvollen Mutter Lavinia an. Sein Schwert gürtete er nicht, sondern schlang den Waffengurt, welcher mit der Schwertscheide fest verbunden war, als Friedensschlinge um das Gefäss der Waffe, und brachte sehr sorgfältig die Ehrenbänder am Griff an.
Anders war auf eigenen Pfaden unterwegs und würde später zu ihm hinzu kommen. Und so machte er sich auf, um sich zu den anderen zu gesellen. Nach außen trug er eine Mine aus Ruhe und Fassung zur Schau, doch wurde dies mit jedem bekannten Gesicht mehr und mehr auf die Probe gestellt.
Schließlich entschied er sich, als ausländischer Ritter ohne große Relevanz auf diesem Grund und Boden einfach nicht ins licht der Aufmerksamkeit zu rücken, und würde im Gegenteil darauf warten ob man ihn ansprechen würde. Je weniger er über die Tage nahe der Stadt Engonia sprechen musste, um so lieber war es ihm. Jeder Bericht, den er abgegeben hatte, war wie eine neue Verwundung gewesen. und allmählich kam er an den punkt, wo er glaubte, den Schmerz nicht mehr ertragen zu können...
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