"Das kann ich Euch gewiss sagen, wenn ich ihr Schreiben erst gelesen habe."
Vanion trat beiseite und machte eine einladende Geste. Die Kammer, in der der Ritter Unterkunft bezogen hatte, war sauber und ordentlich. War sie auch spärlich eingerichtet (Bett und Kommode nahmen den größten Teil des Raumes ein), so wies sie doch zwei Stühle und einen Tisch auf. Auf diesem lag ein aufgeschlagener Gedichtband, daneben eine einfache Karaffe, und zwei Becher standen daneben - einer davon benutzt. Kurzerhand bot Vanion den zweiten Edouard an.
"Erfrischt Euch, während ich lese."
Er mühte sich nach Kräften, seine Nervosität zu verbergen. Während er das Schreiben las, blieb sein Gesicht fast unbewegt. Doch das Mahlen seiner Kiefer, und auch ein schnelleres Atmen verrieten, dass er dem Inhalt des Briefes nicht gleichgültig gegenüber stand.
Als er das Papier zur Seite legte, da hatte ihn eine Anspannung befallen. Er war sich nicht sicher gewesen, ob Madame ihm überhaupt antworten würde. Aber das, was er da vor sich hatte, besagte ganz eindeutig, dass sie ihm die Gelegenheit gab, zu sprechen. Vor Zeugen, vor Seinesgleichen hatte er seine Bitte vorzubringen? Das würde ein schöner Aufruhr werden. Aber er handelte in Frau Minnes Namen, und er hatte diesem Gebot zu gehorchen.
"Lorainne sagte, sie vermisse Demut, und ich solle in mich gehen und ergründen, ob ich dieser Tugend wahrlich folge", murmelte er. "Das wird sich wohl nun erweisen."
Dann fiel ihm ein, dass Edouard noch in der Kammer stand, und das riss ihn aus seinen Gedanken.
Laut sprach er: "Ich werde dort sein. Sagt ihr das - ich getraue mich nicht, mehr Worte zu wählen, denn viele Worte und die falsche Tat brachten mich erst in diese Umstände. Und was ich mit Euch besprechen wollte, das hat Zeit, glaube ich. Die Stimmung in Tangara war etwas lockerer, etwas gelöster, und ich wollte alte Geschichten mit Euch tauschen. Nun fühle ich mich aber nicht danach, und ich hoffe drüber auf Euer Verständnis."