Von der Dorfpalisade aus war es ein beeindruckender Anblick: Fünf Pferde in mehr oder weniger enger Formation, die schon tiefstehende Sonne im Rücken, die auf der Straße entlang in Richtung des Dorfes galoppierten, und hinter ihnen ein gutes Dutzend Reiter in rot und grün und gold und blau. Die Fliehenden wie die Verfolger stießen laute Rufe aus, die einen voller Angst, die anderen voller Wut und Jagdlust.
Das Spektakel war im Dorf nicht unbemerkt geblieben. Schon von weitem waren einige Gestalten zu erkennen, die sich an den Torflügeln zu schaffen machten. Das Holztor mochte niedrig sein, aber einige Reiter würde es wohl abhalten können, und die, die dort vorne standen, schienen nicht auf den Eintreiber des Herzogs warten zu wollen. Das Gegenteil schien der Fall zu sein.
Der Abstand zwischen den Gejagten und ihren Jägern wurde immer kleiner. Keine zwanzig Schritt trennten Vanion und die anderen voneinander, dann waren es keine zehn, keine fünf - und dann zügelte Vanion sein Pferd und hob die Hand, bedeutete den anderen, anzuhalten. Er presste die Schenkel zusammen, mühte sich, sein Pferd unter Kontrolle zu halten, das durch den scharfen Zug zu bocken drohte. Aber die Torflügel waren nun geschlossen, und wenn der Ritter sich nicht täuschte, hatte er eine Gestalt in einem festlichen Kleid durch den letzten Spalt lugen sehen. Das Tor war für sie genauso verschlossen wie für den Hanekamper Eintreiber und seine Wachen. Die Dorfbewohner waren kein Risiko eingegangen, hatten die Beute und die Jäger gleichermaßen aus dem Schutz der Palisaden ausgeschlossen.
Die Jagd war vorbei. Die Straße versperrte Vanion mit einigen Reitern, von Rechts ritt Destus heran, und als der Ritter nach Links schaute, erkannte er Svenja, die die letzte verbliebene Lücke mit ihren Gardisten schloss.
Langsam trieb Vanion sein Pferd an. Das Gesicht des Hanekampers war blass geworden, Schweiß stand auf der Stirn des Dicken. Bevor Vanion überhaupt sprechen konnte, riss der Mann seine Satteltasche auf, zog einige prall gefüllte Beutel hervor und schleuderte sie weit von sich. Es klimperte, als die schwere Last auf den Boden prallte. Ein Gardist stieg ab und nahm die Beutel an sich. Er öffnete einen, dann nickte er Svenja zu, die ihrerseits Vanion ein Zeichen gab. Der Schwanenritter wendete darauf sein Pferd.
"Wegelagerer, Räuber, das seid ihr alle!"
Neugierig, wer von den Hanekampern den Mut hatte, solche Worte zu sprechen, wandte Vanion sich erneut herum - aber die Stimme kam von einer erstaunlich kleinen Frau. Die Frau, die der Ritter eben am Tor erblickt hatte. Sie stand nun auf dem Wehrgang, und obgleich Vanion vom Pferderücken aus fast über die Palisade hätte spucken können, schien sie keine Furcht zu haben.
"Lavinia wird's euch wohl vergelten, meine Hochzeit so entehrt zu haben!"
Ein gutes Stück weiter hinten, am Hang, rappelte Gerbrandt sich auf. Er war ein Gardist aus Voranenburg und war Teil des Entsatzes gewesen, der Feuerklinge zu Hilfe gekommen war. Er hatte sich gefreut, nach Hanekamp reiten zu können, denn in Finsterwald hatte er Familie, also war es etwas persönliches. Sein Freund Iwain war ebenfalls abkommandiert worden, und da die beiden sich bereits seit langen gemeinsamen Gardistenjahren kannten, hatte Gerbrandt sich wenig Sorgen darüber gemacht, einen Kampf zu verlieren. Dass diese Hanekamper nun jedoch ausgerechnet ihn und Iwain von den Pferden gestoßen hatten, wurmte ihn. Er schüttelte den Kopf, um das Klingeln im Ohr loszuwerden, dann stolperte er auf Iwain zu. "Komm schon, steh auf, wir müssen die Pferde einfangen!"
Aber Iwain regte sich nicht. Und der Winkel, in dem Iwains Haupt zu dem Rest seines Körpers stand, ließ vermuten, dass Iwain sich auch nie wieder regen würde.