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Auf der Reise nach Silvanaja

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Rikhard Kraftweber:
"Ich werd den Weg schon finden, glaub ich. Wo genau sie sind, weiß ich nicht, aber ein Teil ist sesshaft, und ein Teil reist umher. Im Grunde geht es im Winter den Fluss hinab in den Süden, und im Sommer den Fluss wieder hoch nach Norden. Ich frage mich, ob sie überhaupt noch dort sind, wo sie waren, und eigentlich frage ich mich auch, was mich dort erwartet. Ich meine, seien wir ehrlich. Ich gehöre nicht nach Silvanaja, und der einzige Grund, warum ich dorthin zurückkehre, ist, um genau das noch einmal zu bestätigen."

Kydora:
//Wir werden uns hoffnungslos verlaufen// schoss es ihr durch den Kopf als Rikhard meinte, dass er den Werg schon finden würde. Aber das würde schon irgendwie klappen. Ein langer Umweg, war mit Sicherheit ein guter Ausgleich für was auch immer sie erwarten würde, wenn sie ankämen.

"Manchmal gehört man eine Zeit lang irgendwo hin. Und dann... dann gehört man irgendwann woanders hin." Sie schaute wieder zu Rikhard rüber. "Wohin wir gehören kann sich ändern. Aber was diese Reise mit dir machen wird, das wissen nur die Götter." Die Silvanaja setzte sich wieder auf. "Nedra wird uns schon den rechten Weg weisen. Und am Ende werden wir genau da ankommen, wo wir ankommen sollen. Und genau das erleben, was wir erleben sollen." Sie nickte bestätigend und knuffte Rikhard dann leicht gegen die Schulter. "Lass dich einfach drauf ein und dann wird das eine ganz fabelhafte Reise."

Kaum dass sie zuende gesprochen hatte, war sie auch schon wieder auf ihren Beinen und grinste Rikhard an. "Aaaapropos Reise. Wir sollten langsam weiter und nicht so viel rumtrödeln." kicherte sie.

Rikhard Kraftweber:
"Du hast völlig Recht. Brechen wir auf, der Hauptteil der Reise liegt noch vor uns."
Die beiden packten ihre wenigen Habseligkeiten wieder zusammen, und während Kydora mit fröhlicher Miene antrabte, hatte Rikhards Gesicht den üblichen mürrischen Ausdruck angenommen.

Dass er wieder auf seinem eigenen Pferd saß und Kydora auf ihrer Stute, fiel ihm leider viel zu spät auf.

Einige Tage später...

Die Straße, die ganz im Südwesten Engoniens über den Rothornpass führte, durch Fanada verlief, Uld nur kurz berührte und sich dann durch die flachen Hügel Tangaras in Richtung Osten schlängelte, war eigentlich recht belebt. Zumindest galt das für den tangarischen Teil der Straße. Je weiter Kydora und Rikhard nach Osten kamen, desto weniger Volk begegnete ihnen. War der Weg in Fanada noch gepflastert gewesen, wurde schon bald festgetretener Lehm daraus, und an manchen Stellen hatte Naduria begonnen, den Boden wieder in Besitz zu nehmen. Erst, als sie Taga näher kamen, wurde die Straße wieder erkennbar besser.

Die östlichste Stadt Tangaras lag am Fuße des Himmelsgebirge, und hinter der niedrigen Stadtmauer konnten die beiden Reisenden die Silhouetten der majestätischen Berge sehen. Irgendwo dort lag ein Ausläufer der Schattenwall, das wussten sie, und zumindest Rikhard fragte sich, wie es dort wohl aussah. Aber weder das Himmelsgebirge noch Taga waren ihr Ziel. In der Stadt erstanden sie frische Vorräte, dann bogen sie endgültig nach Süden ab. Rikhard hatte sich auf der Reise gemacht. Er meckerte weniger, und auch, wenn er weit davon entfernt war, ein geübter Reiter zu sein, hatte er sich mit seinem Pferd angefreundet. Sein Hintern tat nicht mehr wirklich weh, wenn er den ganzen Tag geritten war, und sogar an den harten Boden hatte er sich gewöhnt. Sein bleiches Gesicht hatte etwas Farbe bekommen, und ganz allgemein wirkte der Magier lebendiger.

Taga hatten sie nun hinter sich gelassen. Die beiden unterhielten sich über irgendetwas Unwichtiges, als sie über eine Hügelkuppe ritten - und dann zügelten sie beide ihre Pferde. Vor ihnen lagen die Wälder Silvanajas. Und was für Wälder das waren! Von Links nach Rechts, soweit das Auge reichte, riesige Bäume. Nicht nur Eichen, Buchen, Fichten, was man eben so kannte, sondern viel größere, verwunschen wirkende Riesen, moosig bewachsen, wie schlafende Giganten, aber dicht an dicht wie Krieger in einer Schlachtreihe. Knorrige, knotige Wurzeln waren selbst auf diese Entfernung erkennbar, rund wie drei Oberschenkel, und die Luft wirkte plötzlich dicker, dichter, feuchter und schwerer. Wie eine Mauer ragten die Bäume auf, wie ein Schutzwall, der das urtümliche Land schützte.

Rikhard überkam eine Gänsehaut. Die schwarze Farbe unter seiner Haut, das Symbol seines Stammes auf seinem Rücken, begann zu jucken, als spürte die Tätowierung, dass die Heimat nicht mehr fern war. Stocksteif saß der Magier im Sattel, sog den Anblick in sich auf, atmete die Luft des Waldes, schmeckte das wilde Silvanaja auf seiner Zunge.

Kydora:
Der Anblick auf die Wälder war wie immer beeindruckend. Wie musste sich wohl jemand fühlen, der diesen Anblick zum ersten Mal erlebt? Jemand, der die Tiefen und Geheimnisse der dichten silvnajaischen Wälder noch nie zu Gesicht bekommen hatte? Kydora stieg von ihrer Stute ab und strich ihr gedankenverloren über den Hals. Normalerweise freute sie sich jedes mal, wenn sie die vertraute Heimat sah. Normalerweise…
Bei jedem vergangenen Besuch war es etwas anders gewesen als beim Vorherigen. Jedes mal hatte sie sich ein bisschen mehr wie eine Besucherin gefühlt als denn eine Heimkommende. Die Silvanaja vergrub ihr Gesicht an der Mähne ihres Pferdes und seufzte leise. So vieles hatte sich verändert.

Bevor sie sich in ihren Gedanken verlieren konnte, löste sich Kydora wieder von dem Pferd und sah über dessen Rücken hinweg mit einem Lächeln zu Rikhard hinüber. „Willst du weiter reisen?“ durchbrach sie die Stille. „Oder umkehren? Jetzt wäre ein guter Zeitpunk für diese Entscheidung.“

Sie warf einen Blick auf die Wälder. Auch wenn sich Dinge anders anfühlten… Es fühlte sich trotz alledem noch nach Heimat an. Es war ihr persönlicher Ort der Ruhe und es Friedens. Ein Ort zu dem sie immer zurück kehren konnte. Ein Ort der so unberührt von all den Ärgernissen des Landes war. Keine Fehde, keine Inquisition und auch kein Atos.

Rikhard Kraftweber:
"Weiter."
Rikhards Augen glänzten, und ohne auf Kydora zu achten, trieb er sein Pferd vorwärts, gradewegs den Hügel herab. Er schwankte bedenklich, schaffte es aber, nicht herunterzufallen. Die Hufe wirbelten Staub auf dem trockenen Weg auf, und dann war er zwischen den Bäumen verschwunden. Er zügelte das Tier, kurz nach dem Passieren der Waldgrenze, und lauschte, wie das Stampfen der Hufe verhallte. Hier war es ruhig, dunkel, feucht und deutlich kühler als noch unter der Sonne. Hier und da brach sich ein Sonnenstrahl Bahn durchs Geäst, aber trotzdem wirkte die Umgebung schummrig, geheimnisvoll.
Die Baumstämme erhoben sich zu Kathedralensäulen, die das gewaltige, stets in Bewegung befindliche Blätterdach hoch oben stützten, und überall hörte Rikhard Geräusche. Tiere, Pflanzen, der Wind, alles war eins.

Rasch schwang er sich vom Pferderücken und vergrub die Hand in der dunklen, feuchten Erde des Waldbodens - und fühlte.

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