Autor Thema: Stand der Gnade  (Gelesen 7553 mal)

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Offline Simon de Bourvis

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Stand der Gnade
« am: 18. Mai 16, 20:53 »
"...könnt ihr doch nicht einfach..."
"Genug!"
Die fein modulierte und doch herrische Stimme brachte Vanion wieder zur Besinnung. Um ihn herum waren leise Gespräche von mehreren Stimmen zu hören, doch diese eine war schneidend.

Sein Kopf war umgeben von muffigem halbdunkel, es brauchte nicht lange um herauszufinden, dass man ihn nach guter firngarder Sitte mit einem Sack auf dem Kopf auf den Boden platziert hatte.

"Weder meine Motive noch meine Entscheidungen bedürfen Eure Aufmerksamkeit! Ich bin Baron von Alamars Gnaden!" fuhr die Stimme fort.

"Wenn Euer Gnaden mir nur einen Augenblick..."

"Nichts dergleichen gedenke ich zu tun. Ich bin umgeben von ausreichend Vertrauten und Ratgebern. Mein Vater mag Euch geschätzt haben. Doch ich konnte bisher wenig erkennen, was meiner Aufmerksamkeit wert sein könnte.
So Ihr in Zukunft weniger den Göttern nachjagt oder an anderen Höfen Euch verlustiert, so mag Eure Stimme in dieser Runde wieder Gehör finden.
Ihr dürft Euch entfernen."

Einen Moment herrschte Stille, dann entfernten sich Schritte und es schloss sich erwartungsvolles Murmeln an.

"Weckt ihn auf." Die Stimme erweckte den Eindruck milden Interesses.

Die Stiefel die daraufhin Vanions Rippen traktierten waren weniger mild.




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Offline Vanion

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #1 am: 18. Mai 16, 21:11 »
Der Stiefel tat weh. Sein Kopf tat weh. Und dann erfasste ihn Panik - er hatte die Augen geöffnet und sah immer noch nichts - außer Dunkelheit.
Dann realisierte er, dass sein Kopf in einem Sack steckte, griff danach - und stellte fest, dass seine Hände gefesselt waren. Was war geschehen?
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #2 am: 18. Mai 16, 21:14 »
"Er ist wach, Euer Gnaden." knurrte jemand schräg über ihm.

"Gut, gut. Vanion Bachlauf nehme ich an?" Überhebliche Amüsiertheit mit einem kalten Unterton.
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Offline Vanion

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #3 am: 18. Mai 16, 21:25 »
"Vanion de Roquefort", knurrte Vanion trotzig. Dann schalt er sich selbst für seine Dummheit - aber andererseits, wer immer ihn da gefangen genommen hatte, war ein caldrischer Adliger. Und bei denen hatte er ohnehin keinen guten Stand.

"Vanion de Roquefort bin ich", wiederholte er. "Sohn Baraque de Roqueforts, Bastard des alten Roquefort."
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #4 am: 18. Mai 16, 21:35 »
"Ah, gleich zum Punkt, ohne Feilschen, das ist erfreulich."

Höfliches Gelächter in der Runde um ihn.

"Sich durch Lüge den Stand derer anzueignen, die nicht Deinesgleichen sind, zieht in diesen Landen Strafe nach sich.
Nein, wartet noch, wir wollen noch ein wenig mehr hören."

 Das letzte schien Jemandem hinter Vanion zu gelten.
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Offline Vanion

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #5 am: 18. Mai 16, 21:47 »
Der letzte Satz verwirrte Vanion. Er zerrte an seinen Fesseln, aber die Seile lösten sich nicht. Im Gegenteil, er schien die Knoten nur enger zu ziehen. In ihm kochte es, und sein Zorn vermischte sich mit seiner Angst.
"Unter Meinesgleichen ist es üblich, sich von Angesicht zu Angesicht zu begegnen", zischte er. "Unter Meinesgleichen wird man nicht wie ein Verbrecher behandelt."
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #6 am: 18. Mai 16, 22:01 »
"Aber das bist du doch nicht wahr? Ein Verbrecher. Ein Eidbrecher. Dafür reisst man dir die Zunge heraus und hackt dir die Schwurhand ab.
Und was deine angebliche Abstammung angeht, so hat mir La Follye bereits alles berichtet, was es zu sagen gibt.
Eine alte Geschichte.
Und keinerlei Beweise."
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Offline Vanion

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #7 am: 18. Mai 16, 22:13 »
"Keine Geschichte! Die Wahrheit! Ich bin ein Roquefort!"
Wieder riss er an seinen Fesseln.
"Mein Eidbruch wurde mir vergeben vor dem Heiligen Alamar! Wer seid Ihr, mich hier zu richten?!"
Die Verzweiflung war deutlich aus Vanions Stimme zu hören. Er hatte Angst, Angst um sein Leben. Seine Gedanken rasten. Wer? Wer kann das sein?
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #8 am: 18. Mai 16, 23:14 »
"Ja sicher, wir hörten davon.Ich werde die Entscheidung eines Flamen nicht anfechten...Wenn es in Hahnenkamp dieser Tage auch kaum noch zwei Diener Alamars gibt,die dieselbe Meinung haben."

Gelächter.

"Doch uns hier soll nur kümmern, wie mit einem zu verfahren ist, der Ansprüche erhebt, die er nicht beweisen kann."

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Offline Vanion

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #9 am: 19. Mai 16, 08:17 »
"Nehmt mir die Fesseln und den Sack ab."

Vanion sprach ganz ruhig. In ihm kämpften jedoch Angst und Wut miteinander. Nur eines wusste er mit Sicherheit: die Zeit des Versteckspielens war vorbei. Was immer geschehen würde, er würde es aufrecht und stolz empfangen.

"Ich bin der Erbe des alten Roquefort. Dass ich es nicht beweisen kann, tut der Wahrheit meiner Worte keinerlei Abbruch. Chevalière Lorainne hat die Umstände meiner Herkunft aufgedeckt, als sie nach Beweisen für die Unschuld ihres Vaters suchte. Ihr wollt mit mir verfahren, wie es Euch beliebt - dann nehmt mir Hand und Zunge! Oder Ihr handelt, wie ein Mann von Stand und Würden es täte: hört mich an. Behandelt mich als der Mann, der ich bin: ein Roquefort. Ein Mann, der für La Follye geblutet hat, ein Mann, der im Pilgerzug für Engonien und die Imperatorin kämpfte. Ein Mann, dessen Wort gehört wird unter Kriegern und Priestern!"
« Letzte Änderung: 19. Mai 16, 09:57 von Vanion »
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Offline Lorainne

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #10 am: 19. Mai 16, 14:24 »
Plötzlich erhob sich  aufgeregtes Gemurmel.
Vanion konnte die Vibration schwerer Schritte spüren, die unmittelbar neben ihm hielten. Leder knirschte und Stoff raschelte, als sich jemand verbeugte.
"Votre Grâce,  excusez- moi pour m' ingèrance, Mais ècoutez-moi, s'il vous  plaît. Ça, c' est pas d' après de la grande mère, Lavinia Tutulina. Ce ne peut pas être Le vouleur de Lavinia Admoneta."
Lorainne klang ein wenig atemlos, aber ihre Stimme war fest.
"Je me voue à Lavinia et, j' ai  charges d' âmes. Pour lui aussi."
Sie berührte ihn sacht an der Schulter und er konnte die Hitze spüren, die von ihr ausging.
Es war eine Wohltat für ihr Herz, einen Roquefort in derselben misslichen Lage zu sehen, in der sie es dereinst war. Doch das Gefühl der Rache und Genugtuung war nicht lavinia gefällig und ließ sie brennen.
Jeder Atemzug schmerzte, jedes Wort musste sie mühsam hervorpressen.

Offline Vanion

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #11 am: 19. Mai 16, 14:53 »
Diese hell klingende Stimme kannte er. Lorainne! Was in Szivars Höllen tut sie hier?! Nun war Vanion erst recht verwirrt. War sie von Beginn an hier gewesen? Hatte sie veranlasst, dass er hier war? Was ging hier vor? Er wagte es nicht, noch mehr zu sagen, als er gesagt hatte. Er mochte grade Gegenstand des Gespräches sein, aber es war recht eindeutig, dass Lorainne nicht zu ihm gesprochen hatte. Was ging hier vor?

Sein Magen schmerzte. Sein Kopf dröhnte. Fast war er froh über den Sack auf seinem Kopf, er verbarg sein mitgenommenes Gesicht. Er wusste nicht, ob Lorainnes Ankunft ein gutes Zeichen war oder den finalen Nagel in seinem Sarg bedeutete - doch ihre Worte ließen darauf schließen, dass sie sich zumindest nicht daran beteiligen würde, ihn zu verurteilen. Die Hand auf seiner Schulter fühlte sich warm, fast heiß an, selbst durch den Stoff seiner Tunika. So viele Eindrücke. Der muffige Jutegeruch des Sacks, seine schmerzenden Hände - das Seil schnitt ihm das Blut ab - das Pochen in seinem Schädel und der kalte, metallische Geschmack von Angst. Vanion war hilflos, völlig der Situation ausgeliefert. Machtlos.

Seine Schultern sackten zusammen, als er sich der Situation ergab, und sein Kinn sank auf seine Brust herab. Doch dann packte ihn der Stolz und die Sturheit, die seinen Vater und auch ihn stets ausgezeichnet hatte. Er würde jetzt keine Schwäche zeigen. Im Gegenteil. Was immer hier mit ihm geschehen würde, er würde es aushalten. Krieg. Eidbruch. Sippenmord. Was will man mir noch tun, was ich mir nicht selbst angetan habe?
« Letzte Änderung: 19. Mai 16, 16:31 von Vanion »
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Offline Simon de Bourvis

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #12 am: 19. Mai 16, 21:25 »
Eine Klinge durchtrennte die Fesseln und mit einem Ruck wurde der Sack von seinem Kopf gerissen.

"Die reverence!"

Ein Stiefel traf ihn in der Kniekehle und ein Knüppel in den Bauch.

"In meinem Lehen werde ich entscheiden, wer der rechtmäßige Erbe meines Vasallen ist! Keine dahergelaufenen Bauern, keine Priester und auch sonst niemand.
Sollte jemand begründete Ansprüche gelren machen wollen, so wäre der rechte Ort dafür mein Hof. Wer es stattdessen über einen Jahrmarkt brüllt, der zahlt mir dafür.
LaFollye! Ihr sagtet, Ihr hättet die Dokumente in Euren Händen gehalten?"
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Offline Lorainne

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #13 am: 19. Mai 16, 21:40 »
Vernichtend sah Lorainne die Männer an, die Vanion malträtieren.  Einige kannte sie, hatte Seite an Seite mit ihnen gekämpft. Sie musste sich beherrschen, ihren Lehnsherren nicht mit derselben Verachtung anzuschauen, als sie den Blick hob.
"Oui, Votre Grâce. Das habe ich. Im Kloster unweit von Reines."

Offline Simon de Bourvis

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Re: Stand der Gnade
« Antwort #14 am: 19. Mai 16, 21:46 »
Der Baron hob die Augenbrauen "So zart besaitet, LaFollye?"

"Wie eine Harfe!"bemerkte jemand im Hintergrund

Ungerührt fuhr der Baron fort:"Wie auch immer, Ihr seid Schriftkundig La Follye? Kennt die Handschrift Roqueforts? Könnt sein Siegel erkennen? Könnt ein gefälschtes Dokument von einem echten unterscheiden?"
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