Es wäre wohl eine Nacht wie viele andere Nächte zuvor auch gewesen in dem kleinen Herbergszimmer, das Mina bezogen hatte, wenn sich ihre Gedanken nicht ununterbrochen um ihre Freunde drehen würden.
Ihre Freunde, die vielleicht genau in diesem Augenblick den Kampf gegen Atos und seine untoten Truppen aufnehmen würden… von denen niemand so genau wusste, wie groß ihre Zahl nun wirklich war.
Immer wieder kamen ihr Sashas Worte in den Sinn: „Du hörst doch immer auf dein Bauchgefühl. Wärst du bereit, auch auf mein Bauchgefühl zu hören?“ Mit einem tiefen Seufzen kuschelte sich Mina tiefer unter die Decken und beobachtete den Mond, der durch das halb geöffnete Fenster in ihre Kammer schien. Ihr Lager war warm und weich und doch wälzte sie sich noch lange unruhig hin und her in der absoluten Überzeugung, dass sie in dieser Nacht kein Auge zu bekommen würde.
Und doch schien der Schlaf sie irgendwann übermannt zu haben, denn sie träumte:
Sie träumt von einem Raum mit hellen Wänden, ein seltsam diffuser Nebel hängt in der Luft und verschleiert die Sicht. Die Nebelschwaden ziehen ohne die Andeutung eines Windes an Mina vorbei. Sie sieht ein paar Möbel… ein Tisch und Bänke… keinerlei Fenster, die einen Blick nach draußen erlauben würden.
Linker Hand in etwas zehn Schritt Entfernung ist der Nebel besonders dich. Eine undurchdringliche wabernde Mauer, hinter der menschengroße Schemen zu erkennen sind. Sie bewegen sich unstet, leise… als verschlucke der Nebel jegliches Geräusch. Mina kneift die Augen zusammen, um mehr erkennen zu können. Und da bemerkt sie die Aura.
Eine stinkende und faulige Aura, eine Aura von Tod und Verwesung. Sie ist überall, dringt ihr in Nase und Mund und lässt sie für einen kurzen Moment würgen, bevor sie die Kontrolle über ihren Körper wieder erlangen kann.
Atos – alles riecht nach ihm – fühlt sich nach ihm an. Überall um Mina herum.
Es ist, als wäre in diesem Traum alles offener und irgendwie direkter. Minas Schutzhütte scheint hier nicht zu existieren, genauso wenig wie der Keller. Sie hat das Gefühl, seine Aura mit ihren bloßen Händen berühren zu können.
Und es ist kalt. So kalt, dass Minas Atem vor dem Mund zu kleinen Wölkchen gefriert. Eine Kälte, die ihr in die Knochen zu kriechen scheint… unnatürlich kalt. Sie schlingt die Arme um ihren Oberkörper um sich warm zu halten, doch bevor sie sich dem eisigen Schauer, der ihre Wirbelsäule entlang kriecht, hingeben kann, ertönt ein Schrei und lässt sie aufschrecken.
Ein Schmerzensschrei.
Die Verzweiflung, die darin mitschwingt, vertreibt die Kälte schlagartig aus Minas Gliedern. Oder vielleicht wird sie auch nur egal… sie kann es nicht genau sagen. Ihr Herz schlägt schneller. Diese Stimme, selbst verzerrt durch Schmerz und Qual, kommt ihr sehr bekannt vor… zu bekannt.
Mina fährt herum, den Mund zu einem Schrei geöffnet, doch nur ein Flüstern verlässt ihre Kehle.
Keine fünf Schritte von ihr entfernt stehen zwei große Gestalten. Zuerst kann Mina sie gar nicht richtig fassen, als wäre da nichts, keine Gefühle oder Leben, nur schwarze Löcher.
Dann erkennt sie jedoch schemenhaft dunkle Plattenrüstungen. Die Gesichter sind hinter Helmen verborgen, doch Mina ist sich sicher, dass sie in ihnen nur leere Augenhöhlen finden würde. Genauso leer und tot wie ihre Auren. Todesritter. Sie halten eine Gestalt fest, die zwischen ihnen kniet. Ihre Kleidung mag wohl einmal hell gewesen sein, doch jetzt ist sie blutgetränkt und zerfetzt. Der Körper bedeckt von blutenden Wunden und schwärzlich verfärbten Verbrennungen, wie von extremer Kälte. Die blonden Haare sind rötlich von getrocknetem Blut, die Spitzen ihrer elfischen Ohren abgeschnitten.
Sasha.
Die Wolfselfe hält den Blick ihrer raubtierhaften Augen auf eine weitere Gestalt geheftet, die vor ihr steht, einen elegant geschwungen Dolch in der Hand, von dem frischen Blut langsam auf den Boden tropft.
Die Gestalt ist blond, schlank und trägt ein blau-weißes Gewand. Deutlich sind die spitzen Ohren zwischen den halblangen Haaren zu erkennen. Und während die Auren der beiden gepanzerten Gestalten sich eher anfühlen wie gähnende schwarze Abgründe, so ist die Aura dieser Elfe anders. In ihrem Inneren glimmt ein Licht, das jedoch von rankenähnlichen Gebilden, die sich um ihren Körper und gleichzeitig um ihre Seele winden, fast gänzlich verdeckt wird. Die Ranken zeigen alle Farben, die Mina je gesehen hat und gleichzeitig keine einzige.
Immer wenn sie versucht, sie genauer zu betrachten, verschwimmen sie vor Minas Augen und wechseln die Form. Die Gebilde fühlen sich nach Atos an…. sie SIND Atos. Und sie scheinen die helle und irgendwie hilflose Aura der Elfe zu durchdringen und sie immer mehr zu zerquetschen.
Im Hintergrund stehen vier weitere Todesritter, völlig bewegungslos, als wären es nur Rüstungen ohne einen Träger.
Die blonde Elfe tritt wieder auf Sasha zu, packt ihre Haare mit der linken Hand und hält sie fest, dreht den Dolch für einen Augenblick in ihrer Hand, den Kopf leicht schief gelegt, als würde sie überlegen.
Dann stößt sie zu, rammt der Wolfselfe das blanke Metall bis zum Heft in die Eingeweide, dreht ihn mit einem Ruck in der Wunde herum und reißt ihn wieder heraus. Mit einem erstickten Scherzlaut sackt Sasha in sich zusammen. Helles Blut spritzt auf den Boden, hätte die Elfe getroffen, wenn diese nicht rasch einen Schritt nach hinten gemacht hätte. Die Todesritter lassen die Wolfselfe los, sie krümmt sich auf dem unwirklichen Boden.
Nein! Sasha!
Mina will zu ihr, ihr helfen, irgendetwas tun! Doch sie kann sich nicht von der Stelle bewegen, sie ist wie festgewurzelt. Egal, wie sehr sie sich anstrengt, sie kann sich keinen Millimeter bewegen und immer noch verlässt kein Laut ihre Kehle. Das einzige, was ihr bleibt, ist hilflos mit anzusehen, wie das Leben aus dem Paladin sickert. Langsam und stetig. Wie ihre Aura schwächer wird, ebenso wie ihre Bewegungen.
Die Elfe lacht leise. Ein kalter, unwirklicher Laut. Es wirkt als würde dieser Laut nicht von ihr ausgehen, als würde jemand anderes lachen. Sie betrachtet Sasha mit einem interessierten und abschätzenden Blick, wie eine Beobachterin bei einem Experiment. Dann lässt sie sich neben der sterbenden Wolfselfe auf einem Knie nieder, berührt sie leicht am Kopf. Ein paar gemurmelte Worte in einer fremden Sprache, ein blaues Leuchten. Und Sasha keucht auf, hustet. Der Blutstrom versiegt gänzlich.
Was? Warum?
Einer der Todesritter zieht Sasha in eine kniende Position. Die Wunde hat sich fast völlig geschlossen, nur noch eine wütend rote Narbe beweist, dass sie einmal da gewesen war.
„Sie ist eine sehr gute Heilmagierin.“ Dieser Satz regt sich irgendwo in Minas Hinterkopf. Heiler. Magier. Elfe. Und dann diese Kälte…
Ninim…!!
Minas Eingeweide verkrampfen sich zu einem Knoten, als ihr klar wird, was das bedeutet. Die Frostelfe ist tatsächlich in der Gewalt des Lichs. Und nicht nur das, er bedient sich auch ihrer Fähigkeiten, und das erschreckend erfolgreich.
Rötliche, frische Narben von gerade erst verheilten Wunden auf dem Körper der Wolfselfe sprechen Bände… wahrscheinlich wurde sie schon seit Stunden von Ninim gefoltert und immer wieder geheilt.
Als Mina gerade anfangen will, alle ihr bekannten Götter und Naturgewalten anzurufen um herauszufinden, was dieser Traum wohl bedeuten soll, ändert sich die Szenerie schlagartig. Der Kopf der Elfe… Ninim… ruckt herum, sie starrt an Mina vorbei in den dichten Nebel mit den herumwandernden Schemen. Ein Auge ist hell, das andere schwarz. Ein kurzes, schneidendes Wort von ihr und die beiden Todesritter treten vor, lassen Sasha zurück, die ebenfalls unverwandt den Nebel fixiert. Auch die vier im Hintergrund verharrenden gepanzerten Untoten treten vor, die bewegen sich in völligem Gleichklang.
Mina dreht sich um und schaut mit zusammen gekniffenen Augen in den Nebel, in den Bewegung gekommen ist. Die wabernden Schlieren werden zerfetzt, die darin herumwandernden Schemen streben alle zu einem Punkt in der Mitte.
Und dann, ganz plötzlich, mit einem gewaltigen Stoß, fegt Mina eine Aura von den Beinen, rasend vor Wut und Feuer, einem flammenden Sturm gleich. Sie findet sich auf den Knien wieder, als einer der Schemen, nun deutlich als Untoter erkennbar, mit seltsam verdrehter Wirbelsäule aus dem Nebel geflogen kommt und mit einem klatschenden Geräusch vor ihr auf dem Boden landet, kleine Nebelfetzen hinter sich herziehend.
Und dahinter, mit seinem Kriegshammer Verwüstung unter den Untoten sähend, der Tormentor-Priester Maugrim.
Eine Welle der Erleichterung durchflutet Mina wie eine wärmende Woge. Sie ist sich nicht sicher, ob es wirklich ihre eigenen Gefühle sind oder die von Sasha, aber das ist ihr egal. Sie badet darin und lässt sich ganz von ihnen erfüllen.
Ninim wendet sich Maugrim zu, auf einen kurzen Wink von ihr treten die vier Todesritter an ihre Seite und erstarren direkt wieder.
„Sieh an, sieh an… das hätte ich nun nicht erwartet.“ Sie lächelt ein kaltes Lächeln, welches ihre Augen nicht erreicht. „Nun gut, dann sei es so.“
Mina beobachtet Maugrim. Die Masse an Untoten hat im scheinbar schon ziemlich zugesetzt, sein Atem geht schnell und er nutzt die kurze Pause um wieder etwas zu Kräften zu kommen. Sein Blick wandert zu Sasha, die entkräftet auf dem Boden kniet… und eine tief in ihm sitzende Wut regt sich, die Mina erschaudern lässt.
Dann passieren mehrere Dinge gleichzeitig.
Eine tiefe Stimme, die von überall her zu kommen scheint, ertönt, füllt für einen Moment Minas Geist aus und lässt einen faden Geschmack zurück.
„Dann töte sie eben beide. Jetzt!“
Ninim hebt den Arm und gibt den Todesrittern mit einer kurzen Handbewegung den Befehl zum Angriff. Und Maugrim zieht sich rasch einen Anhänger vom Hals, den er Ninim in einer schnellen Bewegung zuwirft. Die Frostelfte fängt den Anhänger in einer reflexartigen Bewegung auf und betrachtet ihn. Und für einen kurzen Augenblick scheinen die Ranken, die sich um ihren Körper winden zu erstarren, scheint ihre lichte elfische Aura darunter heller zu werden und die Ranken zu überstrahlen. Das musste Ninims Rudelfläschchen sein. Mit großen Augen starrt sie auf den kleinen Gegenstand in ihrer Hand und in diesem Augenblick ist sich Mina sicher, die richtige Ninim zu sehen. Die Ninim, die ihren Freunden besteht und sie heilt, die immer für andere da ist. Die zum Rudel gehört. Einige der Ranken erzittern und lösen sich in durchsichtigen Schwaden auf. Doch der Rest zieht sich nur umso enger um die Frostelfe.
Und dann ist der Augenblick so schnell auch wieder vorbei, wie die sechs Todesritter für einen ersten Angriff brauchen. Sie umreisen den Kriegspriester und dringen erbarmungslos auf ihn ein, Kampfmaschinen ohne die leiseste Rücksicht auf eigene Verluste.
Der Kampf ist schnell und brachial. Wuchtige Waffen treffen auf metallene Rüstungen, die sich kreischend verbiegen, der Boden wird aufgewühlt. Über den Kampflärm hinweg ertönen Maugrims Gebete an Tormentor. Er nutzt alle Fähigkeiten, die er sich im Laufe seiner Jahre als Priester einer Kriegsgottheit und als Mitglied der Valkensteiner Armee angeeignet hat, um die Angreifer auf Distanz zu halten. Doch sie sind in einer deutlichen Überzahlt… und sie haben jetzt gerade nur einen einzigen Zweck: ihn zu töten!
Gebannt starrt Mina auf den hin und her wogenden Kampf. Für einen kurzen Moment sieht es tatsächlich so aus, als hätte Maugrim eine Chance, doch er wird zusehends langsamer. Zwei der unbeseelten Kreaturen in ihren Rüstungen liegen schon zerschlagen auf dem zerwühlten Boden, als einem der Todesritter ein direkter Treffer gelingt, der Maugrim aus dem Takt bringt. Weitere Treffer folgen, lassen ihn immer mehr straucheln. Dann ein schneller schlag, gezielt auf seinen Waffenarm. Der Kriegshammer fällt mit einem lauten Poltern zu Boden. Die Frostelfe lacht hell auf, die Todesritter erstarren, wenden ihr ihre behelmten Köpfe zu.
Aus mehreren schweren Wunden blutend sackt der Kriegspriester auf die Knie, sein Atem geht rasselnd, der Blick ist voller Verzweiflung auf seine Seelenschwester gerichtet, die seinen Blick erwidert. Ninim steht neben ihr, eine Hand in Sashas Haaren, den blutigen Dolch an der Kehle der Wolfselfe gedrückt.
Die Szene scheint tausend Herzschläge zu dauern, sie hat Mina völlig in ihrem Bann. Sie bemerkt kaum, wie sich ihre Fingernägel in den lockeren Boden krallen, als sie versucht, sich irgendwo festzuhalten; mit offenem Mund erwartet sie den finalen Befehl.
Doch stattdessen fängt Maugrim abermals an zu beten. Seine vormals so verzweifelte und wütende Aura wird von fester Entschlossenheit abgelöst. Als hätte er seine Entscheidung getroffen. Eine endgültige….
Er betet zu Destrutep.
Seine tiefe Stimme ist fest und unerschütterlich, als er den kriegerischen Herrn des Feuers anruft. Sashas verzweifelter Aufschrei geht fast in seinem Gebet unter. Als wüsste sie, was er vor hat…. Was wüsste sie, was passieren wird….
Ninim runzelt die Stirn und beobachtet den Priester interessiert, die Todesritter warten immer noch auf ihren Befehl. Minas Bick wird wie von selbst zurück auf den Tormentor-Priester gezogen, der mittlerweile wieder auf beiden Beinen steht. Keine Spur von Kontrollverlust, wie Mina immer befürchtet hatte, geleitet wird er nur von seinem eisernen Willen. Es kommt ihr vor, als würde er von innen heraus leuchten, als würde ein Feuer in ihm brennen, das die Kälte von diesem Ort, die Kälte aus deinen Gliedern vertreibt.
Und doch, das angenehme Gefühl bleibt nicht lange bestehen, die Temperatur steigt stetig an, bis Mina nicht mehr Maugrim vor sich sieht, sondern nur noch loderndes Feuer. Die Zeit hat sie schon völlig vergessen, sie ist belanglos geworden. Mina könnte Sekunden da knien oder Jahre… es ist ihr gleichgültig.
Dann erreicht Maugrim mit immer lauter werdender Stimme den Höhepunkt des Gebetes….
… und die Welt um Mina wird in eine Meer aus Flammen getaucht. Das aufbrandende Feuer ist überall, rauscht tosend und fauchend durch den Raum um alles zu verzehren.
Mina verbrennt…. Und bleibt doch unversehrt. Sie schreit… sind das wirklich ihre eigenen Schreie?
Schmerzen, Verzweiflung, Wut… und Entschlossenheit.
Dann wird es dunkel.
…
Mina weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, bis sie die Augen wieder öffnet, doch das ist immer noch gleichgültig.
Es ist still.
Das Feuer ist vergangen, nur noch glimmende Stellen und die verbrannte Einrichtung zeugen von der zerstörerischen Kraft, die hier eben noch gewütet hat. Der Geruch von verbrannten Materialien liegt in der Luft. Und von verbranntem Fleisch. Von den Todesrittern ist nicht viel mehr übrig als mehrere Häufchen Asche und einige Rüstungsteile.
Ninim kniet mit völlig fassungslosem Gesichtsausdruck neben Sasha in einem fast schon komplett weggeschmolzenen Kreis aus Eis, die Hände noch immer zur Abwehr erhoben. Die letzten Fetzen der Ranken, die sich um ihren Körper und ihre Seele gewunden haben, lösen sich mit einem Knistern auf, bis auch die letzten Reste verschwunden sind. Weggebrannt. Und die leuchtende Aura bahnt sich langsam ihren Weg an die Oberfläche. Beide Elfen sind von den Flammen völlig unberührt geblieben.
Mit einem dumpfen Geräusch bricht Maugrim auf dem Boden zusammen.
„Nein! Maugrim!“ Die Stimme der Wolfselfe ist heiser vom vielen Schreien. Erstaunlich schnell ist sie bei ihm, lässt sich neben dem Kriegspriester auf die Knie fallen.
Plötzlich kommt es Mina so vor, als wäre sie Sasha, als würde sie Maugrim mit Sashas wölfischen Augen
Für einen Augenblick ist sie Sasha.
Angst, Verzweiflung, Panik….
Große Teile seines Körpers sind verbrannt. Doch am schlimmsten sind die inneren Verletzungen. Es ist, als wäre das Feuer aus ihm heraus gebrochen, hätte seine Organe als erstes verzehrt und zerstört. Der Atem des Kriegspriesters geht mühsam, als er sie mit einem noch intakten Auge fixiert.
Einsicht, Verstehen…
Mit einer unerschütterlichen Erkenntnis, die sich schmerzhaft in Sashas Eingeweide gräbt, wird ihr klar, dass Maugrim sich selbst geopfert hat. Um die Beherrschung, die auf Ninim lag, zu brechen.
Um sie zu retten…
Das Feuer hatte ihr nichts anhaben können. Maurgim hatte seine letzten Kräfte dazu genutzt, sie und Ninim davor zu schützen anstatt sich selbst. Die Eiswand der Frostelfe hatte ihr übriges getan.
Sie will ihn anschreien, dasss er hier bleiben muss, ihn anflehen, dass er sie nicht alleine lassen soll…
Verständnis, Akzeptanz…
Doch kein Ton kommt aus ihrer Kehle. Denn es ist seine Entscheidung gewesen. Ein schwaches Lächeln erscheint auf seinem halb verbrannten Gesicht. Als wäre er nur noch hier, um zu sehen, dass sie überlebt hat und in Sicherheit ist. Und ein letztes Mal spürt sie die Berührung seiner Seele, als er alle Schilde, die das Feuer überstanden haben, auf sie überträgt.
Ums sie noch ein letztes Mal zu schützen. Vor dem Unvermeidlichen.
Ein letzter rasselnder Atemzug, eine letzte Bewegung.
Dann stirbt Maugrim.
Der Todesschock, der die Wolfselfe über das Seelenband überflutet, der an ihr zerrt um sie mit in die Dunkelheit zu reißen, nur gelindert durch den Schutz, den Maugrim auf sie übertragen hat, katapultiert Mina wieder in ihren eigenen Körper zurück.
Vermutlich zu ihrem Glück…
Sashas Körper verkrampft sich, sie stößt ein hohen Jaulen aus, das sich anhört, als würde man einen Hund treten. Dann bricht sie neben Maugrim zusammen.
Mina bleibt nur, fassungslos auf das Geschehene zu starren, eine unwirkliche Leere in ihrem Inneren. Offensichtlich weint sie, denn nur undeutlich erkennt sie durch einen Schleier aus Tränen, wieder Nebel abermals zerreißt und eine größere Gruppe von Leuten mit panischen Rufen den Raum flutet. Minas Freunde.
Alles ist unwirklich, passiert wie in Zeitlupe… Mina hört Rufe, sieht Heiler, die sich sofort ans Werk machen, die Rufe werden panischer, die Bewegungen der Leute hektischer.
Dann ein hoher Klagelaut, wie nicht von dieser Welt.
Jelena.
Mina erwachte. Schweißgebadet schreckte sie von ihrem Lager auf, das Herz drohte aus ihrer Brust zu springen und nur mühsam bekam sie ihre Atmung in den Griff. Mit zitternden Händen zog sie fahrig ihre Bettdecke glatt, nur um eine vertraute Bewegung zu machen.
Und dann wartete sie auf das Gefühl der Erleichterung, wie es einen nach einem bösen Traum überkommt, wenn man erwacht und merkt, dass das Erlebte gar nicht wahr ist.
Doch so sehr sie es sich wünschte…. dieses Gefühl stellte sich nicht ein. Und mit einer schmerzhaft deutlichen Erkenntnis wurde Mina klar:
Das war kein Traum.