Nachdem alle anderen gegangen waren dauerte es eine Weile, bis aus der kampfesbereiten, in die Ecke gedrängten Löwin wieder die ruhige Jenna geworden war. Sie überdachte ihre Lage erneut, ihre Blicke wanderten von dem Untergewand und dem Tuch zu ihrer Tochter, die sie mit großen, glänzenden Augen ansah.
Es waren nur wenige Stunden Marsch von hier bis in die Stadt. Wie lange mochte es dauern, dort, in all dem Chaos jemanden zu finden und dann zurückzukehren? Wenn sie ihre Kleider wusch und nur dieses dünne Ding hatte, konnte sie nicht durch eine Hintertür schlüpfen, wenn vorne jemand hereinkam. Sie würde sich draußen den Tod holen.
Jenna sah an ihrem Kleid herunter. Es musste dringends gewaschen werden. Es stank. Aber jetzt war es trocken und wärmte. Sollte sie es brauchen... Ihr Blick fiel auf die Röhren aus dem seltsamen rötlichen Metall. Wenn sie das Übergewand als erstes wusch, es direkt aufhängte und sich dann um alles andere kümmerte, würde das Kleid nicht schon fast wieder trocken sein? Sie könnte es im Zweifelsfall sofort überwerfen, auch wenn es noch ein wenig klamm war...
Die Frau gab sich einen energischen Ruck. Sie kontrollierte, ob auch wirklich niemand sie stören würde, dann zog sie sich das Überkleid aus und wusch es in Rekordzeit. Als nächstes folgte das Unterkleid. Hiernach wusch sie sich rasch selbt, bevor sie in das 'neue', saubere Untergewand schlüpfte, dass Jelena ihr gegeben hatte.
Sie gestattete sich keine Gefühlsduselei, als sie den warmen, sauberen Stoff auf ihrer Haut fühlte. Das war Kleidung. Es musste keine Nettigkeit sein. Es könnte auch dafür da sein, sie in Sicherheit zu wiegen... Und die Medizin... sie würde nur wenig davon nehmen. Es gab Sachen, die einen müde machen konnten. Und schlafen durfte sie heute nach bestimmt nicht! Was wenn sie geweckt würde von... Nein, an Schlafen war nicht zu denken!
Schließlich war alles gewaschen, sogar die Schürze und die Haube. Malla war inzwischen wieder eingeschlafen. Jenna packte alle, auch die zum Teil noch sehr feuchten Kleidungsstücke zusammen und fühlte sich unendlich verloren und verwundbar. Da stand sie, in einem Keller, bekleidet nur in einem Untergewand und einem Umschlagtuch, ihre kleine Tochter im Arm und all ihre Habe als großes, sehr feuchtes Bündel unter dem anderen Arm. Sie sah zur Treppe hin, die sie zwar nach oben in den warmen Kaminraum und zum Essen, aber gleichzeitig auch zu diesen Leuten führen würde, von denen sie nicht wusste, ob sie eine Gefahr für sie und ihre Freiheit waren.
Ein weiterer Blick auf die kleine Malla, die zum ersten Mal seit Tagen wieder einigermaßen gut atmen konnte, und der Gedanke, dass sie ohne die Schwäche, die der Hunger mit sich brachte, weitaus besser gegen das, was da draußen noch auf sie warten mochte, gewappnet sein würde, brachten sie schließlich dazu, die Treppe heraufzusteigen und in den Speiseraum zu gehen...