Teil 5:
"Was interessiert es dich, Feigling." murmelt Neana. Sie versucht sich ein wenig durch Reiben der Arme und Schultern zu wärmen, denn noch immer hat sie dieses eisige Gefühl am ganzen Körper.
"Ich versuche dich und dein Handeln zu verstehen, darum interessiert es mich..." Er steht auf und geht ein paar Schritte. "Glaubst du wirklich, all das hier wäre, um MICH vor DIR zu beschützen....? Glaubst du das?"
Neana hebt die Arme mit den Ketten. "Na also ich brauche solchen Schmuck nicht." meinte sie schnippisch. "Und bevor ich hier war ging es mir besser, als im Moment. Also bleibt nur, dass DU Angst vor mir hast, Angst vor einer jungen Frau, die DIR wohl einzig geistig überlegen ist." Sie lässt die Ketten wieder auf den Boden klirren.
Er lächelt sie an - irgendwie wirkt es als würde eine Katze eine Maus anlächeln. "Du glaubst das wirklich, nicht wahr? Erstaunlich.... Nun, zurück zu meiner Frage: Wieso bist du auf seine Seite gewechselt?"
"Schlechtes Gedächtnis hat er auch noch" murmelt Neana. "Ich sagte bereits, es geht dich nichts an."
"Ja, das habe ich gehört, aber ich wollte dir eine Chance geben zur Vernunft zu kommen... Tu dir einen Gefallen und erspare dir etwas, daß du nicht kennenlernen möchtest, und antworte einfach auf meine Frage..."
"Warum sollte ich DIR irgendeinen Gefallen tun?! Ich wiederhole es für dich aber gerne ein weiteres Mal: Es geht dich nichts an!"
"Oh, und wieder siehst du die Sache falsch - ich möchte dir einen Gefallen tun und die Gelegenheit geben, zu sprechen und mir irgend etwas zu liefern, was dich retten könnte... Ich bitte dich, wir haben doch schon festgestellt, wie "stark" du bist..."
Neana funkelt Ashat bei der Erinnerung an die Ereignisse vor einigen Minuten an. "Führ dich nicht auf, als würde dir irgendwas an mir liegen. Du wirst keine Antwort bekommen und wenn du noch so sehr auf besorgt machst." Neana sucht sich einen Platz an der Mauer und lässt sich mit dem Rücken dazu wieder auf den Boden sinken. Sie starrt in Richtung Tür an Ashat vorbei.
In den Augen des Priesters sieht man ein Funkeln. Er grinst breit.
"Oh, ich hatte so sher gehofft, daß du das sagst...."
Er nimmt den Helm ab, doch das nimmt nichts von seiner Bedrohlichkeit.
Eine breite Narbe ziert das Gesicht des Priesters, man sieht Spuren von vergangenen Kämpfen. Das Grinsen in diesem Gesicht wirkt deplaziert, und Neana kann sich des Gefühls nicht erwehren in eine gut vorbereitete Falle getappt zu sein... Er zieht seine Panzerhandschuhe aus und kommt auf sie zu. Seine wettergegerbten Hände zeigen ebenfalls Spuren vieler Kämpfe.
Neana mustert ihn kurz und schluckt. Was hat er vor? Ein kalter Schauer lief ihr über den Rücken und das lag nicht an der kalten Kerkerwand.
Er kommt zu ihr herüber, nah, ganz nah, beugt sich herab und schaut ihr tief in die Augen, sein Gesicht ist nur noch wenige Zentimeter von ihrem entfernt... Kalte, durchdringende Augen starren in ihre, einen so kalten Blick hat sie noch nie gesehen. Der Priester scheint bar jeder Emotion zu sein, aber nicht wie andere nur hinter einer Maske, nein, seine einzige Emotion scheint die Vorfreude auf das Kommende zu sein... Leise, fast flüsternd, und doch in einem Ton, daß der Raum noch kälter zu werden scheint spricht er zu ihr: "Letzte Chance...." Und das klingt bei Leibe nicht wie eine lehre Drohung, mehr schon klingt Entäuschung mit - sie könnte die Chance ja annehmen...
Neana wendet den Kopf ab und schweigt.
Er haucht ihr ins Ohr: "Danke...."
Neana spuckt ihm voller Verachtung ins Gesicht.