Lorainne war über Vanions Ausführungen erleichtert und musste im ersten Moment über sich selbst und ihre dummen Gedanken grinsen.
"Das hat wenig mit Stärke zu tun, Vanion. Ich bin nicht wie Jelena oder Simon und oft bedaure ich das. Aber ich habe nicht die Fähigkeit, die Toten gegeneinander aufzurechnen. Und ja, man verroht, und nur deshalb lass ich die Toten in meine Gedanken, damit es mir nicht passiert. Als wir in die Ruinen bei Tailon Orikos eingedrungen sind, um Wydh und Luthor zu retten, hatte das nichts mit Mut zu tun, im Gegenteil: ich war einfach nur nicht stark genug, ihre Schreie länger zu ertragen. Niemals könnte ich das vollbringen, was Jelena im Krieg jeden Tag getan hat: Die Schreie der Verwundeten ertragen, eher würde ich mein Leben lassen."
Lorainne lächelte traurig: "Sobald man einmal ein Schwert in der Hand hatte und den ersten Menschen getötet hat, beginnt es, das Töten und das Sterben macht einem dann keine Angst mehr, nur noch das Leiden. Und nur darum lass ich es zu, dass sich die Toten in meine Gedanken schleichen: Damit ich immer wieder an ihr leid erinnert werde und niemanden unnötig lange leiden lasse, kurz und präzise töte, wenn es sein muss. Und dass ich die Stärke besitze, Leid, das mir widerfährt durchzustehen. Und es gibt mir immer wieder Hoffnung. Je mehr ich an wassillij und Simon denke, desto überzeugte bin ich, dass sie gerettet werden können, auch wenn ich in schwachen Momenten daran zweifeln mag."
Sie schaute Vanion nun direkt in die Augen:" Verstehst DU jetzt, warum ich will, dass Du dich mit Deinen Eltern aussprichst? Man leidet einfach unter seinem schlechten Gewissen, ich weiss das nur zu gut. Darum muss man sein Gewissen erleichtern und Fehler der Vergangenheit bereinigen. MEINE Familie hat NICHT zu leiden, wenn ich es verhindern oder ändern kann!"