Langsam schritt Vanion durch die doch noch recht warme Herbstsonne. Die Straßen und Gassen Bregas, wo immer sie nicht gepflastert waren, waren glitschig und klebrig von Schlamm und Matsch. Die letzten Tage waren voller Regen gewesen, und Vanion genoss die letzten noch langen, sonnigen Tage des Herbstes. Bald würde der Winter kommen, die Tage noch kürzer, noch dunkler, noch kälter werden.
Fast sehnsüchtig dachte er daran, dass sein Vater wohl jetzt grade fluchend die Ernte einfuhr (oder eher schon eingefahren hatte..), seine Mutter gutes, festes Brot backte und seine Schwestern vermutlich im Matsch spielten. Auch an jemand anderen dachte er, jemand, der auch bei seinen Eltern lebte.
Die Schritte des jungen Knappen waren ziellos, in den letzten Wochen hatte er Brega kennen und fast schon lieben gelernt. Die Stadt wirkte frisch und jung, überall war Hektik, immer war irgendwo ein Hämmern oder Sägen zu hören. Hier ein neues Haus, dort das Abräumen der Überreste der alten Alchemiegilde, da wurde eine Mauer hochgezogen - Brega pulsierte geradezu vor Leben. Allein die Gerüche der Stadt; mal roch es nach altem, nassen, verbrannten Holz, dann nach seltsamen Chemikalien, dann wieder ein Duft wie von einer frisch geschnittenen Wiese! Der Schweiß der Bauleute vermischte sich mit dem leckeren Geruch eines Gewürzstandes vom Markt, die Parfums einiger weniger Frauen, die kichernd vor einem Goldschmiedsladen standen, wehten an Vanion vorbei.
Der junge Mann jedoch hatte nicht viel getan. Seine Übungen hatte er vernachlässigt, es hatte ihn mitgenommen, ständig auf's neue diese Geschichten von Lorainnes Tod erzählen zu müssen. In die Gesichter seiner Freunde zu sehen und genau zu wissen, dass er sie verletzen würde, wurmte ihn. Das hatten sie nicht verdient, doch hatte er eine Wahl gehabt? Wohl kaum.
Doch nun scheuchte Vanion diese Gedanken beiseite. Er hatte bei einem Krämer eine kleine Holzpuppe erstanden, deren Beine und Arme durch einen starken Faden verbunden waren und sich so bewegen ließen. Diese stellte er, als er im kleinen Bregaholz, wo er sich ein Zimmer genommen hatte, wieder angekommen war, auf seinen Nachtisch. Dann zündete er ein kleine, dicke Kerze an. Seine Gedanken schweiften zu Marie, und er betete für sie, wo immer sie nun war. Schließlich blies er die Kerze aus und legte sich auf sein Bett, nicht ohne einen Blick auf die Holzpuppe zu werfen:
Alles Gute zum Geburtstag.