Als das Schwert zufriedenstellend geschliffen war, widmete sich Vanion weiteren Teilen von Lorainnes Rüstung. Ihr Kettenhemd hatte ein wenig Rost angesetzt, bei dem Wetter wohl kein Wunder. Auch ihre Schulterplatten glänzten nicht so, wie sie sollten. Er seufzte.
An einen Baum gelehnt, begann er mit seiner Arbeit. Während seine Finger die mittlerweile gewohnten Bewegungen ausführten, schweiften seine Gedanken ein wenig ab. Jetzt, im hellen Sonnenschein des frühen Vormittags, wirkte die Welt nicht so finster.
Es mochte einer der letzten schönen Tage des Herbsts sein, und fast von allein fand eine alte Melodie den Weg über seine Lippen. Munter pfiff er vor sich hin, während er über dies und das nach dachte. Ihm fehlte ein wenig der Friede der Felder seines Vaters, das warme Kaminfeuer im Hof und natürlich der Komfort eines ordentlichen Bettes.
Doch das war nichts als Bequemlichkeit, schalt er sich. Entbehrungen mussten nun einmal sein, und der Krieg war vorbei, Lorainne gerettet - und Rania hatte er von sich gestoßen. Das war gut und richtig! Er hoffte, das Thema nicht mehr berühren zu müssen. Allzu wichtig erschien es dem Knappen ohnehin nicht - sie waren schließlich auf dem besten Wege, die Sache mit Savaric endlich zu beenden. Und wenn es gut ausging, würde Vanion ohnehin in Caldrien bleiben. Weshalb wieder nach Tangara? Nichts hielt ihn dort mehr. Der Hof seines Vaters war verkauft, seine Familie lebte in Caldrien.
Ich wollte mich immer auf die eine oder andere Art verabschieden. Freunde, wirkliche Freunde, hatte Vanion stets auf der Reise getroffen. Doch er wollte seßhaft werden, nicht länger auf dem Rücken eines Pferdes leben. Irgendwo in Caldrien gibt es ein Haus, ein Feuer und eine schöne Frau, die auf mich wartet. Da bin ich mir sicher. Schmunzelnd dachte er an einen Spruch seines Vaters: "Deine Mutter und ich, wir waren fast fünfzehn Jahre lang glücklich. Dann haben wir uns kennengelernt." Als Barak das gesagt hatte, war Vanion noch jung gewesen und hatte die Ironie darin überhaupt nicht erkannt. Jetzt, Jahre später, erheiterten die Worte ihn.
Ob Vater wusste, welchen Anspruch er hatte? Seine Hände hielten inne. Vanions Augen fielen auf das, was auf seinem Schoß lag: Lorainnes schwere Schulterplatten. Dieser Anblick machte ihm etwas vollständig bewusst: er war kein Bauer mehr, kein Tunichtgut und erst recht kein Trinker. Er war geschworener Knappe von Lorainne de la Follye des Joux, Erbe des Lehens Roquefort, ein Caldrier von Stand und unbefleckter Ehre. Mann der Königin - Kaiserin!. Nochmal dachte er wehmütig an das warme Feuer und die Frau. Wenn du mal alt bist, so alt wie Simon. Dann ruft dich keiner mehr in den Kampf, da bin ich mir sicher.