"Oh, einen gab es."
Rikhard starrte den Boden seines Kruges an. Er seufzte.
"Es gab - und gibt - einen Schamanen. Ein alter Mann, dünn und ausgemergelt und ungewaschen und stinkend wie drei Schwarzbären. Wann immer er konnte, rasselte er mit kleinen Knöchelchen, krächzte irgendetwas vom Weltuntergang und verlangte den besten Teil der Jagd für sich.
Anfangs glaubte ich ihm, als er wilde Geschichten erzählte. Von Naturgeistern, von Tiergeistern, die er beschwören und beherrschen könne. Des Nachts sorgte er manchmal dafür, dass die Flammen ihre Farbe wechselten, passend zu den Schauergeschichten, die er erzählte, und wenn er bestimmte Worte rief, dann drängten sich die Schatten um ihn herum zusammen und dunkler, schwarzer Qualm entstand! Dabei blieb es natürlich nicht, wenn sich jemand verletzte, dann trug er seltsame, dickflüssige Tinkturen auf, machte Kräuterumschläge und sang die Schmerzen fort und vertrieb böse Geister.
Ich hab ihn immer gemocht, was dich vielleicht überrascht. Er gehörte zum Dorf wie Haus und Herd zum Heim, seit ich denken kann, war er da. Aber als ich diesen Teller bewegt hatte, zeigte er Interesse an mir. Vorher war ich nur einer von vielen Dorfbewohnern gewesen. Nun aber wollte er mich fast täglich sehen, er fragte mich aus, darüber, was ich denn sehen würde, und ob ich nicht in der Lage wäre, Feuer heraufzubeschwören oder andere Zauber zu wirken.
So ging das ein paar Wochen, bis dann eines abends wieder eine seiner Zeremonien anstand. Er wollte etwas opfern, um Tiergeister zu besänftigen, die angeblich zornig geworden waren. Er begann also seinen Singsang, und ich war neugierig. Den ganzen Tag schon konnte ich irgendwie spüren, wie die Magie sich bewegte, wie sie alles um mich herum durchfloss. Und ich hatte eine kleine Glasscherbe in der Hand, eine blaue." Die hat meine Mutter mir geschenkt, als ich drei oder vier war... ich frage mich, wo sie die her hatte.
"Ich spielte also mit dieser Scherbe herum, während ich wie alle anderen zuschaue, und irgendwie kam ich auf die Idee, hindurch zu schauen. Grolf hatte mir erzählt, dass man durch einen Fokus diese Kraftlinien besser erkennen kann - und ich sah ins Feuer, grade als Grolf in den schrillsten, höchsten Tönen brüllte. Ich erwartete ein Aufflackern der Magie zu sehen, zu spüren, irgendetwas - aber ich spürte rein gar nichts. Stattdessen sah ich, wie Grolfs Hand in seinen Beutel glitt, er ein Pulver hervorzog und es unauffällig in die Flammen streute. Und die loderten nun nicht mehr rot und gelb, sondern blau und grün! Ooohs und Aaahs gingen durch die Menge, aber mir war klar geworden, dass dieser Schamane ein Betrüger war."
Und ein Großteil der Dorfbewohner ungebildet und dumm.