Drakonia ging in die Richtung der Taverne, bog aber ab und ging zum Schrein, wo sie sich setzte und, versteckt von den Ästen, anfing zu weinen. So leicht war es also wieder in die Dunkelheit zu stürzen, nachdem sie so lange damit gekämpft hatte. Keiner würde wissen, wie viel Kraft es ihr gekostet hatte, mit dem Drang nach ihrer einmaligen Macht zu kämpfen und sie würde niemandem erlauben, das zu erfahren. Aber als alees scheinte, wieder gut zu sein, dann ging es in einem einzigen Moment wieder runter.
Sie hatte versagt. Schlechter noch, sie hatte Lyra enttäuscht. Dass sie jetzt mit Rektor Snorgad sprechen sollte war ihr vollkommend egal, wie Magister Kadegar sie bestrafen würde auch, aber Lyra sollte sie niemals enttäuschen... Und doch, das hatte sie genau gemacht. Es fühlte sich, als sie Maarja enttäuscht hatte. Jedes Mal, wenn sie mit Lyra sprach, fühlte es sich, als ihre Schwester noch am Leben war. Drakonia schließ ihre Augen und rief in ihr Gedächtnis den Kampf auf, den sie hinter den Bäumen versteckt geschaut hatte, vor fast drei Jahren nun, als Vardara angegriffen wurde und Maarja auf dem Kampffeld gefallen war. Damals hatte Falke, Maarjas Wächter, Drakonia mit sich geschleppt um sie vor dem Tod zu retten. Das war das erste Mal, als sie von einem Kampf weggelaufen war. Das zweite war als sie vom Imperium wegrannte um den Tod in den Händen von den Ferumgardern zu entkommen. Sie hatte geschworen, nie mehr vom Kampf wegzurennen und immer in den ersten Reihen zu kämpfen.
Und jetzt hatte sie gezeigt, dass sie gefährlich war. Sie konnte sich nicht kontrollieren. Nicht nur Magie konnte sie nicht mehr kontrollieren - sie konnte sich selbst nicht unter Kontrolle bringen. Sie brachte alle in Gefahr. Die anderen dachten, dass sie dumm sei, und so war es besser. Besser für Idiotin gehalten zu werden, als dass alle verstehen, dass sie furchtbare Angst hatte und die Alpträume jede Nacht erneut bekämpfen musste.
Lass sie dich nicht fertig machen.
''Werde ich nicht, Waldläufer. Werde ich nicht.'', dachte sie, aber sie fühlte sich nicht sicher.
''Ich kann auch wegrennen. Zweimal schon habe ich weit genug weggerannt. Ich kann jetzt noch durch den Wald rennen. Keiner kann einen Elf im Wald nachverfolgen. Kein Mensch mindestens und Elfen haben sie nicht genug um mich zu fangen.''
Aber sie wusste, dass das keine Lösung war. Die Alpträume würden sie verfolgen und von denen konnte sie nie weit weg genug laufen. Wo sie hingehen sollte wusste sie nicht, aber als sie vom Imperium weggeflohen war, wusste sie auch nicht wo sie hinlafen muss. Richtung wäre das kleinere Problem.
''Das habe ich bewusst gewählt. Ich konnte mit Janko und Tsera nach dem Magiertreffen in Tangara abreisen, ich konnte Magister Leachim zu den Mondelfen folgen, ich konnte mein Buch zurücknehmen. Aber schon ist die Wahl getroffen. Janko und Tsera kann ich nicht mehr finden und selbst wenn, was soll ich ihnen sagen? Und Magister Leachim würde mich in wenigen Stunden zurück zu Lyra bringen. Der mondelfischen Magierin in Anrea habe ich auch gesagt, dass ich nicht zu den Mondelfen gehen werde. Nein, ich soll bleiben und die Konsequenzen tragen. Wenn ich nichts mehr zu verlieren habe, dann werde ich sie mit Stolz tragen. Ich lasse keinen mich fertig machen.''
Aber Atos würde sie finden und töten. Egal was alle in diesem Königreich dachten, sie würde ihn finden und töten. Er hatte versucht, sie zurück in der Dunkelheit zu schleppen und würde weitere Versuche unternehmen. Außerdem hatte er das Blut von mehreren Leuten und genau sie wusste sehr gut was er damit machen konnte. Sie hatte genug von Orin gelernt um diese Gefahr einschätzen zu können.
Und egal ob Lyra, Kadegar, Flammbart, Rektor Snorgad und alle andere ihr verbieten würden, den Nekromant zu suchen und ermorden, das würde sie tun.
Sie schütelte ihren Kopf und wartete, bis die Tränen trockneten. Als die Inquistion sie entführt hatte, hatten Kydora und zwei Waldläufer versucht, sie zu retten. Menschen, alle drei. Sie kannte Elfen, die sie verraten hatten. Drei Menschen hatten versucht, ihr Leben zu retten und waren dabei fast gestorben. Ihre Gedanken richteten sich auf Kydora.
''Warum hat sie das eigentlich gemacht? Sie wusste, dass sie sterben konnte, und sie war überhaupt nicht verpflichtet, das zu machen... Wenn ich gestorben wäre, was hätte das für sie geändert? Probleme hatte sie auch genug ohne mich. Eddajar ha'las keliobrim saje? (Übersetzung aus Elfisch: ''Ist das was es bedeutet, ein Mensch zu sein?'')''
Dass Kydora von Emotionen geführt worden war, war für Drakonia klar. Aber sie selbst war auch von Emotionen geführt. So konnte es nicht mehr gehen. Das Feuer in ihrem Herz würde sie verbrennen. Und sie brauchte alle ihre Kräfte um den Nekromant zu bekämpfen. Was heißen sollte - Ende mit den dummen Entscheidungen. Ende mit den blinden Aktionen. Ab jetzt würde sie jedem Wort von ihrer Meistern gehorchen. Sie würde ihre Bestrafung erdulden und die Zeit nutzen um sich vorzubereiten. Aber keine weitere Versuche, alleine Feuermagie zu wirken. Obwohl sie gesagt hatte, dass Untote Feuer befürchten, gab es noch etwas, wovor sie Angst hatten.
Eis.
''Wenn ich überleben soll, dann Ende mit allen Emotionen. Und Ende mit allen Versuchen, alleine Feuerbälle zu zaubern. Wenn ich die Nekromantie auch aufgegeben habe, dann soll ich eine neue Richtung wählen. Kampfzauber und Eismagie.''
Sie zuckte die Zähne zusammen, stand auf, hielt den Kopf hoch und den Stab fest und ließ alle Spuren vom Weinen aus ihrem Gesicht verschwinden.
''Ich lasse keinen mich fertig machen. Ich lasse keine Emotionen mehr auf meinem Weg stehen. Ich folge jedem Wort meinen Lehrern. Und ich töte Atos.''
Langsam und mit eiskaltem Gesicht ging sie in Richtung Taverne.