"Dann übe ich eben", grummelte Rikhard leise, als Stella und Lyra mit langsamen Bewegungen begannen.
Kurzerhand schwang er sich auf eine kleine Holzkiste. Den Oberkörper richtete er grade auf, den Rücken drückte er durch. Tief holte er Luft und schloss die Augen. So gut es ging, versuchte er, die zahlreichen Geräusche um sich herum auszublenden, doch es gelang ihm nicht. Wut und Enttäuschung stieg in ihm auf. Streng dich an! Erneut sog er die salzige Seeluft tief in seine Lungen. Er musste sich einfach mehr Zeit geben. Niemand wurde als Meister geboren. Es war im Grunde, wie für eine Klausur zu lernen. Verstehen, Wiederholung, Verstehen, Wiederholung, Übung, Übung, Übung, Wiederholung.
Worum ging es bei der Meditation? Spiritualität. Achtsamkeit. Konzentration. Beruhigung und Fokussierung des Geistes. Stille, Leere, alles sehen und fühlen und doch nichts. Alles fühlen... vielleicht war es das. Rikhard versuchte nicht länger, die Geräusche auszublenden. Statt dessen hörte er genau hin. Das Rauschen des Meeres, das Flattern der weiten Kleider Stellas und Lyras im starken Wind, das Knattern des Segels, das Knarren der Planken, und auch die Rufe der Mannschaft, die geschäftig arbeitete. Manches war lauter als anderes. Er konzentrierte sich und runzelte mit geschlossenen Augen die Stirn. Das Meeresrauschen. Lauter und lauter wurde es, bis es seinen Kopf gänzlich füllte. Da war nichts anderes mehr als dieses Geräusch, dieses Plätschern, dieses Platschen, dieses ganz bestimmte plitschplatsch, wenn sich ein Wellenkamm am Boot brach. Plötzlich wurde ihm klar, dass das Meeresrauschen nicht einfach nur ein Geräusch war, sondern ein Konzert, eine Symfonie aus tausenden und abertausenden, Myriaden kleinster Aktionen und Reaktionen! Jede Bewegung verursachte ihr eigenes Geräusch. Wie schnell war der Wind, der auf die Wellen traf? War er langsamer, so schlugen auch die Wellen nicht so hoch, schlugen die Wellen nicht so hoch, gab es ein ganz anderes Geräusch als bei der - klatsch - großen Welle, die der Bug des Schiffes grade durchschnitt.
"Hätte ich nur ein besseres Gehör, dort gibt es ganze Welten zu entdecken!" Rikhard zuckte zusammen, als er seine eigene, gepresste Stimme hörte. Verflucht! Nun ist alles hinüber! Er hoffte nur, die anderen hätten nichts bemerkt. Schließlich war er ein guter Schüler an der Ayd'Owl, unter den Jahrgangsbesten. Da konnte man es nicht brauchen, dass man sah, wie er versagte.
Er raffte seine Kleidung unter sich, um ein wenig bequemer zu sitzen, dann versuchte er erneut, sich zu konzentrieren.