Der nächste Tag begann mit dem Krähen des Hahnes und den Flüchen derer, die dem Vieh am liebsten den Hals umgedreht hätten.
Im Schlafsaal richteten sich die ersten, die weder die Nacht- noch die Frühwache hatten, ächzend auf.
Woanders tobte bereits das Leben. In der Küche wurde schon für das Frühstück gebacken, Wasser heiß gemacht und Zutaten vorbereitet.
In den Stallungen scharrten die Tiere mit den Hufen oder Klauen, traten gegen die Wände und gaben allerlei Laute von sich. Sie hatten Hunger und wollten raus.
Oben in der Kemmenate der Baronin schlüpfte Fleur gähnend in ihr Überkleid. Ein Blick auf das Lager von Madame sagte ihr, dass diese wohl noch ein Weilchen schlafen würde. Die Wäschemagd räumte ihre Schlafstatt auf und begann damit, so leise wie möglich die Dinge für den Morgen vorzubereiten. Sie legte einen Scheit Holz im Kamin nach - es war kühl geworden in dem Raum - und überprüfte den Nachttopf. Dann holte sie Wasser, um es an der Feuerstelle zu erwärmen. Hernach legte sie einige Kleider vom Vortag zusammen und drapierte die Gewänder, die Madame heute tragen wollte, auf eine der Truhen.
Sie war fast fertig damit, alles für die Morgentoilette der Baronin bereitzustellen, als ein kleiner blonder Kopf durch den Türspalt gesteckt wurde.
"Guten Morgen, Mamá!", flüsterte Amelie.
Fleur schenkte ihrer Tochter ein liebevolles Lächeln, nahm sie in die Arme und küsste sie auf den Scheitel.
Nachdem sie alles für Isabeau vorbereitet hatte, kuschelte sie sich mit dem Mädchen noch einen Moment unter die Decken. Beide genossen den Moment sehr.
Schließlich standen sie auf und richteten ihre Kleider. Fleur stellte Amelíe vor den großen Spiegel und bürstete ihr ausgiebig das goldene Haar. Das Kind hatte sich neuerdings auf eigenen Wunsch die Mähnenpracht schneiden lassen. Trüge es kein Kleid, hätte man glauben können, ein kleiner Page wäre unterwegs.
"Es wird Zeit, dass du einö Kopfbedeckung trägst.", bemerkte Fleur leise.
Amelíe verdrehte die Augen und sah ihre Mutter durch den Spiegel entnervt an.
Ihr Lieblingsstück war noch immer der aus Stoffblüten gefertigte Jungfernkranz mit dem kleinen Schleier, den sie Fleur an einem Markttag abgeschwatzt hatte.
Dazu trug sie eine dünne Schnur um den Hals, an dem ein Zinnherz befestigt war. Das Mädchen hatte dieses Herz mit der Hilfe eines Schmieds auf eben jenem Markt selbst hergestellt und war entsprechend stolz darauf.
Julienne drehte sich nochmal um, doch bei dem Lärm, den die anderen machten, war an Schlaf nicht mehr zu denken.
Also stand sie auch auf, zog sich an und trat in den Hof, um die kühle Morgenluft zu genießen.