Jelena atmete erleichtert auf als der Gutshof von La Follye vor ihr aus dem Regen auftauchte. Trauer lag in der Luft und wenn ihre Ankunft noch vor kurzer Zeit misstrauisch und neugierig beäugt worden wäre, so wussten bereits alle weshalb Fremde auf der Straße waren und taten nicht mehr als sie wahrzunehmen.
Sie ritt auf den Innenhof und wurde vom Gesinde empfangen, nachdem sie sich vorgestellt hatte wurden die Pferde versorgt und ihr wurde der Weg zum Haupthaus gewiesen.
Sie stand eine Zeitlang stumm vor der Tür, sobald sie diese Schwelle überschritten hatte, würde die Nachricht Gewissheit werden.
"Wir wollten heiraten, er hat mir einen Antrag gemacht, noch bevor wir von dem Kind wussten. Als ich erfahren habe, dass ich schwanger bin, wollte ich dieses Kind nicht. Wir haben uns gestritten, angeschrien, ich glaube, dass er kruz davor war mich zu schlagen, doch schließlich haben wir uns gefreut. Wir wären eine Familie gewesen, wenn er nicht..." Lorainnes Stimmer brach und sie starrte nahezu eine Ewigkeit in die Flammen.
"Ich vermisse ihn, ich habe manchmal das gefühl, als könnte ich nicht atmen, ich vermisse selbst die Streitereien." flüsterte sie leise und schaute Jelena an. Unendliche Verzweiflung schien aus ihrem Blick zu sprechen, doch auch etwas anderes. Eine Spur Hoffnung.
"Als ich hörte, dass er tot ist, konnte- wollte ich es nicht glauben. Erst als Sasha und Maugrim mir seine Überreste brachten, da musste ich es glauben. Und mein erster Gedanke war, ihm zu folgen, niemand hätte mich davon abhalten können. Doch da spürte ich den ersten richtigen Tritt. Vorher war es eher ein Flattern, wie der Flügelschlag von einem Schmetterling. Sanft, als wollte es nur sagen, dass es da ist. In diesem Moment war es anders. Es schmerzte. Ich krümmte mich zusammen, schrie und kauerte mich schließlich selbst wie ein Baby zusammen. Erst als ich wieder zu mir kam, wusste ich, dass ich es nicht aus Verzweiflung getan hatte und um mich meinen Schmerz hinzugeben, sondern mehr, um unser Kind zu schützen. Vor meiner Verzweiflung, vor der Welt, vor dem Schmerz, den ich zu überwinden hatte. Ich will nicht sagen, dass es gut funktioniert, aber Benjen ist für die Familie gestorben, für die La Follyes und für die Familie, die er und ich hätten haben sollen. Und alles wäre umsonst gewesen, wenn ich mich jetzt in ein Schwert stürzen oder Gift zu mir nehmen würde. Und er hat mir etwas so Kostbares hinterlassen. Und dieses Kind ist alles, was mir von ihm geblieben ist. Und ich weiss, dass ich dieses Kind allein schon um seines Vater willen lieben werde, aber ich brenne auch darauf, dieses Wesen kennenzulernen, um herauszufinden, was es von Benjen hat, und was von mir."
Lorainnes Blick war offen und sie lächelte. Dieses Kind hielt sie ihm Leben, mehr als es ihr Pflichtgefühl je gekonnt hätte und sie freute sich offensichtlich darauf.
"Und darum bin ich zu Dir gekommen- Ich habe nicht viel Erfahrung, und jetzt soll ich ein Kind gebären. Und ich habe schreckliche Angst, dass etwas schiefgeht und ich es nicht überleben werde. Darum bitte ich Dich: Würdest Du mein Kind auf die Welt holen und darauf achten, dass ich, wenn möglich, nicht sterbe?"
Sie atmete tief durch und klopfte an.