"Oui, Madame. Bis zum Abendessen ist es noch eine gute halbe Stunde."
Fleur, die ganz froh über die ruhige Aufwach-Reaktion ihrer Herrin war, knickste ergeben und begann den Paravent aufzustellen.
Danach suchte sie das von der Baronin gewünschte Gewand aus der Kleidertruhe und hängte es mitsamt Untergewand und Zubehör auf die Innenseite des Raumschirms.
Hernach huschte sie rasch aus dem Zimmer und kehrte alsbald mit dem Stallmeister zurück, den sie erst eintreten ließ, nachdem sie sich davon vergewissert hatte, dass ihre Herrin gut verborgen hinter dem Paravent stand.
Der Stallmeister - ein großer, kräftiger Mann mit geschickten Händen, einem guten Gespür für Pferde und einer in jeder Situation ruhigen und konsequenten Ausstrahlung, trat einen Schritt ins Zimmer herein, hob erst gar nicht den Blick, um einfach gar nicht erst etwas sehen zu können, was er nicht sehen sollte, räusperte sich und sagte mit seiner typischen, tiefen, ruhigen Stimme:
"Madame?"
Dabei hielt er seine Mütze in beiden Händen vor seinem Bauch fest, ohne sie jedoch - wie so manch einer - nervös zu kneten. Dennoch sah man ihm an, dass sich der Mann nur bedingt in dieser Umgebung wohl fühlte.
Sein Metier waren die Stallungen, Wirtschaftsgebäude und die Gesinderäumlichkeiten und angelegentlich einmal eine ruhige Schenke. Man munkelte, er habe eine engere Beziehung zu einer der älteren, etwas beleibteren Mägde und jeder achtete ihn als einen Mann von Besonnenheit und Verstand. Er hatte ein sagenhaftes Auge für vielversprechende, junge Pferde und seine geheimen Kräuterrezepturen und Handgriffe bei kranken und schwierigen Rössern wurden ihm von vielen geneidet. Neben all der guten Empfehlungen, was seine Hauptarbeit anging, war er aber auch ein guter Lederhandwerker, verstand nicht wenig von der Hufschmiederei und konnte ganz gut mit Leuten umgehen.