Lorainne erwiederte Anders´ Umarmung kurz und flüsterte ihr noch "Pass auf dich auf und beeil dich" zu, bevor der Kender sich abwandte.
Sie hoffte, dass es Anders gut tun würde, wenn sie etwas Zeit für sich hatte.
Die Stimmung im Lager war angespannt; alle waren erschöpft, traurig, wütend. Aber immerhin nicht verzweifelt.
Noch nicht.
Um Stella wurde sich bereits gekümmert, Anders saß bei Vanion, Ulric schlief ruhig, Beorn saß noch bei Silas.
Es herrschte geschäftiges Treiben, und so blieb sie unbemerkt, als sie neben Benjen trat und ihn unsanft auf die Beine zog.
"Nicht hier, reiß Dich zusammen, oder hast Du alles vergessen, was Du mir beigebracht hast?"
Panik durchflutete sie, als sie sein Gesicht sah und sie zog ihn weiter mit sich in den Schatten der Bäume.
Endlich ließ sie ihn los.
Er war leichenblass, tiefe Schatten unter den Augen und verdammt, hatte er etwa..
"Verdammt, sie haben noch Hoffnung, also darfst Du sie jetzt nicht verlieren. Du bist ein La Follye, vergiss das nicht!" zischte sie, hin und hergerissen zwischen Wut und Panik.
SO hatte sie ihn wirklich noch NIE gesehen und er jagdte ihr eine Heidenangst ein.
Er reagierte nicht, den Kopf gesenkt lehnte er an einem Baum, so dass sie sein Gesicht nicht mehr sehen konnte.
"Benjen?"wisperte sie leise.
"Benjen?" ein kindliches Wispern in der Dunkelheit.
Eben war er doch noch neben ihr gewesen.
"Hier". Eine dunkle Stimme und eine warme Hand, die nach ihrer fasste.
"Keine Angst. Ich bin doch da. Los, komm. Marguerite lenkt Giselle ab."
Sanft zog er sie mit sich.
Das Licht tat ihr in den Augen weh und sie kniff sie zusammen. Bis sie die sanfte Stimme ihrer großen Schwester hörte.
"Hier, komm, Du hast sicher Hunger."
Marguerite nahm sie in die Arme und es brach aus Lorainne heraus.
"ich hab diesmal wirklich nicht.. Sie war so wütend, aber ich .... nicht....." stammelte und schluchzte sie, während Marguerite sie hin und her wiegte.
"Scht. Ist gut."
Tränenverschleierte Augen einer Neunjährigen blickten zum Himmel:"Bei Lavinia, warum hasst sie uns so?" fragte sie ihre beiden Retter.
"Lass sie niemals Deine Verzweiflung spüren, sonst quält sie dich noch mehr. Manchen Menschen macht es Spaß, andere zu zerbrechen. Denk daran, Anführer weinen immer allein." Benjens grinste sie an und wuschelte ihr durch das Haar.
Lorainne wandte sich ab.
Offenbar brauchte er diesen Moment allein.
Allein mit sich und seiner düsteren Welt.