Dieser Wald. Er war anders, das wusste Widukind genau. Anders als alle anderen Wälder, Wiesen und Felder, anders als jeder Strauch, jede Blüte und jede Wurzel, die er irgendwo sonst auf der Welt zu finden vermochte. Es war merkwürdig in Haubach zu verweilen. Es war ihm, als hasse ihn der Wald, als wolle er ihm immer neue Probleme und Gefahren vorwerfen. Als wolle er ihn leiden sehen. Und doch, zog es ihn immer wieder zu ihm hin, als rufe dieser über große Distanz nach ihm, einer verlorenen Liebe gleich, oder einer Seele, die zu ihrem Körper wiederkehren sollte. Er wusste nicht wie er damit umgehen sollte. Er wurde seltsam aggressiv, als einer der Jäger anfing einen Baum zu schlagen. Warum? Er bekam Kopfschmerzen von seinen Schlägen. Warum? Er hatte Angst vor dem Wald und doch fand er nur hier so ruhigen Schlaf.
Beorns Trank. Ein abartiges Gesöff. Es half ihm aber erstmals seit einem Jahr für einige Zeit loszulassen und sich von dieses wirren Gedanken zu trennen, doch jetzt fehlte die Wärme. Verdammt war die Nacht kalt. Er legte eine Decke nach der anderen über sich. Es half nichts. Kalt.
Dieser Trank. Hatte er was mit seiner Wut vorhin zu tun? Er war sich sicher er reiße Branwin seine geschliffene Axt vom Hals und wenn er ihn dabei verletze, sollte der Rat seinem Gesuch eine vollwertige Axt zu werden nicht nachkommen. Zögerlich fasste er nach seinen Anhänger und atmete durch. Gut, das sie ein Einsehen hatten.
Noch war nicht Zeit aufzustehen und so drehte sich Widukind noch tiefer in die vielen über ihm gestapelten Decken ein und dachte an das warme Feuer. An Lorainne, an Benjen. Er hatte in vergangenen Tagen auch Waren an Heere verkauft, stehende, wie Söldner. Doch nie sah er einen einfachen Söldner näher als 1000 Fuß an seinem Soldherren. Warum auch? Die Beziehung ist rein geschäftlich und wenn man einem NICHT trauen konnte, dann einem Söldner, dessen Kodextreue nicht bekannt ist. Und dennoch saßen sie die Nacht zu dritt am Feuer. Ein solches Vertrauen in ihn und die Äxte war...töricht...aber unglaublich befreiend. Vertrauen und Sympathie ist mitunter das unnötigste, was man einem Söldner anbieten kann und vielleicht dennoch das Schönste. Er musste fast über sich selber lachen. Noch einmal wand er sich unter seinen Decken und grinste bei dem Gedanken. 'Ist jedenfalls besser als Kanonenfutter zu sein.'
Als er am Morgen erwachte waren bereits aufgeregte Stimmen zu hören. Er richtete sich auf und schlug das Gewicht der vielen Decken auf Seite. 'Zeit aufzustehen!', dachte er sich, als er anfing alle Glieder von sich zu strecken.Sein Blick fiel dabei auf seinen linken Arm, der, als sich der Ärmel seines Hemdes hochschob einige rote Flecken Preis gab. Widukind starrte ihn kurz entgeistert an, dann öffnete er sie am Ärmel befindliche schnur und riss diesen bis an die Schulter. "Verdammt!", rief er und hob sogleich sein Kleid um seinen Oberkörper zu inspizieren. Enttäuscht ließ er wieder fallen, als er erkannte, dass es seinem Torso ähnlich erging. 'Beorn, wenn ich dich in die Finger kriege!'
Rasch schnürte er sich wieder zu und legte sein Halstuch sorgsam über den obersten der Punkte, der sich am Hals befand. 'Ich werde ihn mir vorknöpfen müssen.', dachte er sich, als er auf die ersten Gestalten zu trat, die sich schon im Dorf tummelten. Warum war ihm nur, als sähe ihn jemand wütend an.
"Guten Morgen!"