Recht bald hatte Rikhard genug gelesen. Beim Schwanken des Schiffes war es ohnehin schwierig, sich zu konzentrieren, und das Licht fiel mal auf die Seiten, mal wieder nicht. Unruhig lehnte er sich zurück und wippte mit dem Fuß auf und ab. Ihm drängten sich Gedanken auf, die er nicht gerne hatte. Ob er nun wollte oder nicht, der Zwischenfall mit Kydora hatte etwas in ihm angestoßen, und sein analytischer und nüchterner Verstand verlangte nun von ihm, dass er reflektierte und eine Konsequenz evaluierte.
Er verschränkte die Arme vor dem Körper. Persönliche Probleme und Emotionen hatten in seinem karriereorientierten Leben rein gar nichts verloren, fand er. Schließlich galt es, möglichst kompetent, möglichst gebildet zu werden, um irgendwann sowohl Geld zu verdienen als auch insgesamt einfach mächtig zu werden. Rikhard wusste nicht so recht, was er mit Macht anfangen würde, wenn er irgendwann welche besitzen würde, aber er wusste, dass es besser war, mächtig und wichtig zu sein, als ein kleiner Niemand zu sein. Er kannte genug Geschichten. Immer wurde an irgendeinem Lagerfeuer gesungen, von irgendwelchen sogenannten Helden, die sich aufopferten, um irgendjemand Unwichtigen zu retten. Geschichten, die ganz nett waren, aber eben nicht mehr als das: Geschichten, und somit aufgeblasene, übertriebene Berichte, wahrscheinlich zu großen Teilen erstunken und erlogen von irgendwelchen aufmerksamkeitsgeilen, schlechten Dichtern und Sängern. Da lobte er sich Lehrbücher! Trocken waren sie, ja, aber sachlich und unterfüttert mit Fakten und Belegen.
Mochten seine Gedankengänge ihn auch erfolgreich weit fort von Kydora getragen haben, eine kleine Stimme in seinem Hinterkopf stupste ihn sanft wieder hin zu dem Thema. Kydora. Er schien einen Punkt getroffen zu haben, als er von Magie gesprochen hatte, und tatsächlich - er hatte sie noch nie zaubern gesehen. Wie zauberte sie überhaupt? Soweit Rikhard wusste, war sie keine Hermetikerin. Also wirkte sie Zauber auf eine instinktive Art, eine gefährliche Art. Ich kann bestimmt von Glück reden, dass sie mich nicht über die Reling gepustet hat!
Kurzentschlossen stand er auf. Darüber wollte er mit Magister Sonnenwende reden. Und siehe da - der stand auf dem Flur, an die Wand gelehnt, sichtbar um Fassung ringend. Unsicher sah Rikhard den anderen Magier an. Ob er ihn stören konnte?