Lorainne hatte sich von der Stimme davontragen lassen und als sie aufblickte, sah sie nicht Isabeau dort am Schrein stehen, sondern Marguerite.
Wäre sie damals nicht dem Konvent begetreten, hätte sie der Familie La Follye vorgestanden und Isabeaus Schicksal geteilt.
Ihr fiel auf, wie ähnlich sie sich waren:
Beide hatten diesselbe Intonation während sie sprachen, doch Marguerites Aussprache war breiter gewesen, wie es ypisch war, je weiter man in den Norden kam.
Selbst die kleinen fließenden Bewegungen ähnelten sich sehr.
"Lob sei Lavinia."
Nein, nicht durch Blut verbunden, sondern durch Liebe.
Ihr Blick wanderte von der Baronin zu ihrem Knappen. Das war ihre Familie.
Lavinia Genetrix und Lavina Placatio bitte bring Frieden über meine Familie, damit sie nie wieder entzweit wird. Lavinia Tutulina, schenke mir die Kraft, sie zu beschützen, wann immer es nötig sein wird.
Sie neigte ihren Kopf vor dem schrein und wandte sich um. Dort sah sie die weiße Distel auf grünem Grund über seinem Herzen. Irrte sie, oder stand er tatsächlich dort?
Sie hielt einen kurzen Moment inne. Sie wusste, dass man die Götter nicht nur bitten durfte, sondern ihnen auch etwas geben musste.
Drei Schritte bis zum Schrein, wo sie auf die Knie sank.
Lavinia Virilis, ich habe dich nie um etwas gebeten, aber jetzt bitte ich Dich um IHN. Öffne sein Herz, wie Du das meine geöffnet hast.
Sie holte tief Luft, um die Worte laut über ihre Lippen zu bringen.
Ihre Stimme war fest, als sie sprach:
"Lavinia Admoneta, lass mich in der schwärzesten Stunde die richtigen Entscheidungen treffen, damit auch Savaric de Roquefort sein Herz zu öffnen und Deine Gnade wieder darin Einzug erhalten vermag. Lavinia Recepta, die du die reuigen Seelen erettest, rette die seine. Ehre sei Lavinia."
Ziternd erhob sie sich, diese Bitte hatte ihr einiges abverlangt, und doch war es nur gerecht, wenn sie auch etwas für ihn erbat.
Sie schaute auf und geradewegs in Vanions Gesicht.