Isabeau hörte aufmerksam zu als Berengar von seinem Leben berichtete. Sie runzelte einige Male die Stirn, unterbrach ihn aber nicht. Wenn es schien als ob ihn seine Kraft verlassen würde nickte sie ihm auffordernd zu oder berührte ihn sanft am Arm um zu zeigen, dass sie immer noch da war und zuhörte.
Als er zu Ende gesprochen hatte, breitete sich Stille zwischen ihnen aus. Als Isabeau sprach, da schien es auf den ersten Blick keinen Sinn zu machen, aber ihre Stimme nahm die Kadenz einer Geschichtenerzählerin an und ihre Worte entführten ihren Zuhörer auf ein besonderes Schlachtfeld:
Höret und vernehmet!
Von weit her bin ich gekommen, um euch kund zu tun von dieser Mähr, die geschehen ist unter Alamars Aug’ und meinem.
Lavinia führe meine Zunge und Alamars Zorn treffe mich, wenn ich Unwahrheit verkünd!
So bin ich nun vor euch getreten um euch zu berichten von eines Ritters schwärzester Stund, von seiner größten Tat und schwersten Schuld!
Aus edlem Geblüt ist er, der Königin verpflichtet und seinem Namen. Vor den Göttern ehrfurchtsvoll, seinen Kameraden treu.
Von Treue will ich euch berichten, unverbrüchlich und grausam, von Ehre, hart wie Stahl, die durch das Herz von Männern drang!
Ein Tag war’s, wie im Sommer licht, als ich den Ort Tiefensee betrat. Ein Ort, der Trauer schon gesehen und Tod. Doch noch war das Maß nicht voll, noch musste geschehen, was Mähr sein wird, wenn wir längst Staub sind, der im Winde tanzt.
Zusammengelaufen war viel Volk an den Ufern des Sees, hingeeilt nach dem Ruf eines Edlen, der die Last eines ganzen Reiches auf seine Schultern nahm. Richard Brin ist sein Name, euch allen wohlbekannt, der sich nicht beugte vor des neuen Kaisers Macht. Doch nur wenige folgten seinem Ruf, aus Angst, dass die Wölfe auch bald vor ihren Toren heulen würden. Und so kam es das der Kommandant der Reichsgarde, Richard Brin von Fingara einen Ruf in fremde Lande sandte, auf das sich kriegerisches Volk sammle und ihren Mut, ihre Kraft und ihr Wissen in die Waagschale warf, die sich immer weiter zu Gunsten des Höchsten der Wölfe neigte. Doch wer sollte die fremden Mannen führen?
Brin selbst?
Nein, er konnte die Geschicke in niemandes andere Hände legen, sein Platz ist in Fanada, wo alle Fäden zusammenlaufen.
Wer dann?
Ich werde euch sagen wer an seiner Stelle trat!
Simon de Bourvis, Sohn von Rainould und Isobelle, Sohn von Rodegar de Coly, der in jener schicksalhaften Schlacht am Forret d’Artroux sich einen Namen machte und ihn gleichzeitig verlor…. Doch wie er an den Hofe Blanchfleur gelangte, das ist eine Geschichte für ein anderes Mal.
Simon de Bourvis empfing nun die Kämpfer die aus allen 4 Windrichtungen gekommen waren und ihm zur Seite stand der Orden des Askar, allen voran Miguel, sein 1. Ritter und Sasha, sein 1. Paladin!
Bereits einige Kämpfe waren geschlagen, doch die Götter gönnten uns eine Ruhepause und mehr als einer genoss die Strahlen Alamars auf seinem Gesicht, denn wer wusste ob er sie am darauf folgenden Tag noch spüren würde?
Da betrat ein Junker das Lager, stolz und aufrecht sein Gang, klar sein Blick und minniglich seine Statur. Stolz prangte der schwarze Löwe auf rotem Grund und wies ihn von edlem Geblüt aus. Er erblickte Simon de Bourvis und ein schallendes „Simon, du räudiger Hund!“ ertönte!
Es wurde still im Lager, den alle wussten, dass Simon de Bourvis kein Mann war, der Beleidigungen ungeahndet ließ!
Simon wandte sich um und als er den Ritter sah, rief er voller Freude aus: „Jacques, Sohn eines stinkenden Ziegenbocks!“
Groß war da das Gelächter und auch ich stimmte mit ein, denn hier trafen Familienbande aufeinander und voller Freude umarmten sich die Männer, die so lange Zeit voneinander getrennt waren.
Und Simon, voll des Stolzes, führte ihn zu seinen Gefährten und stellte ihn vor: „Begrüßet Jacques de Molet, meiner verstorbenen Frau Bruder, der mein Knappe war und mir dereinst als Herr von Bourvis folgen wird!“
Scherzworte flogen hin und her, Simon erkundigte sich nach der Lage an der Droor und hieß seinen Pagen Antoine Mundschenk sein.
Dieser brachte feinsten Wein und Silberbecher und Simon füllte die Kelche eigenhändig und reichte Jacques den seinen, voll der süßen Fülle aus ihrer beider Heimat Blanchfleur.
Und beide erhoben den Kelch und riefen: „Auf den Kaiser!“
„Auf Barad Konar!“
„Auf Jeldrik!“
Und es war Totenstille im Lager und mein Herz wurde schwer, denn ich wusste, das, noch bevor Alamars Auge im Westen versank, ich die Totenklage anstimmen würde…
Die beiden Männer, die sich voll Freude und Liebe begrüßt hatten, standen sich nun fassungslos und erstarrt gegenüber. Simon erholte sich als erster: „Du brichst den Eid gegenüber der Königin?“ verlangte er harsch zu wissen, doch Jacques antwortete nicht minder wütend: „DU brichst den Eid gegenüber dem Kaiser!“
„Wie kannst du in deinem Alter noch so ein Narr sein?“
„Wie kannst du in deinem Alter noch so naiv sein?“
Doch alle Worte waren unnütz und sie beide wussten es.
Wieder war es Simon, der als erster sprach: „Wann soll das Treffen sein?“
„Hier und Jetzt!“
„Welche Waffen sollen es sein?“
„Die Axt und das Schild!“
Miguel, der 1. Ritter des Askar, erfüllte die minnigliche Pflicht des Herolds und trat vor um vor den Göttern und der Welt zu bezeugen weshalb diese beiden Männer, durch Blut geeint und durch Eid getrennt, sich auf dem Felde treffen würden.
Und bald schon würde das Feld von edlem Blute getränkt sein und nur einer würde es verlassen.
Simon und Jacques sanken auf die Knie und hielten Zwiesprache, der eine mit Alamar, der eine zu Tior. Worum sie baten?
Ich weiß es nicht…
So erhoben sich nun die beiden Edlen und drangen aufeinander ein. Wuchtige Schläge drangen auf die Schilde, man hörte das Treffen von Stahl und den Atem der Kämpfenden. Jacques Schläge zeigten die Kraft der Jugend, die von Simon die Erfahrenheit des Alters.
Bald schon splitterten die Schilde und die Kämpfer warfen sie fort, die Äxte waren schartig und sie tauschten sie gegen ihre Schwerter ein. Unverdrossen schlugen sie aufeinander ein und das Volk fieberte mit: „Für Bourvis! Bourvis für die Königin!“ erscholl es allenthalben.
Doch da!
Ein gar mächtiger Hieb von Jacques und Simon verliert das Schwert! Ein aufgebrachtes Raunen entwich der Menge und Sasha, Simons Schwertschwester, hielt es nur mit Mühe auf ihrem Platze.
Simon stürzt sich auf Jacques und wie tollwütige Hunde verkeilen sich die beiden ineinander, der Kampf wogt weiter hin und her, jeder Schlag, jeder Tritt, jeder Hieb wird mit gleichem vergollten.
Doch seht, seht!
Simon ist zu Boden gestürzt, benommen schüttelt er sein edles Haupt und Jacques steht mit erhobenem Schwerte über ihm.
Ein Schrei entwich der Kehle von Jelena, der Heilerin und allen griff die kalte Hand der Furcht an ihr Herz.
„Alter Mann...“ ertönt Jacques Stimme, voller Trauer „Wie konntest du glauben, dass du diesen Kampf gewinnen würdest?“
Simon blickt auf und Jacques Schwert saust auf ihn herab!
UND SIMON FÄNGT DAS SCHWERT MIT SEINER LINKEN AB!
Mit einem Schrei unmenschlicher Qual hält er Jacques Schwert, greift sein eigenes und stößt es seinem Schwager in die Brust!
Eine unwirkliche Stille lastete über dem Felde, als Jacques in Simons Armen lag. Mit zitternder Hand strich er ihm das Haar aus dem Gesichte und hielt ihn, als sein Auge brach. Er griff an Jacques Hals und bald hörte man seinen verzweifelten Ruf: „Jacques, Jacques, wo ist deine Münze? Du Narr, wo ist sie? Wie willst du den Fluss überqueren...“
Mit der unversehrten Hand zog er die Münze von seinem eigenen Hals und legte sie auf die Lippen von Jacques de Molet, seinem einstigen Knappen, seinem Schwager, seinem Erben...
Trauer senkte sich über das Volk ob dieses Bildes, doch noch war das schreckliche Werk nicht vollbracht, noch war die Ehre nicht befriedigt.
Schleppenden Schrittes ging Simon de Bourvis zu Hubert, Jacques Knappen und fragte mit hohler Stimme:
„Hältst du deinem Ritter und Herren die Treue?“
Und der Knabe, kaum 14 Lenze alt, kniete nieder, zum Zeichen das er sich seines Schicksals bewusst war.
Und Simon hob die Axt, doch seine Wunden waren zu viele und kraftlos sein Arm.
So rief er Antoine, seinen Pagen und wies ihn an, sein Werk zu tun, den Hubert musste seinem Herrn ins Grab folgen, damit der Ehre grausamer Zoll entrichtet war.
Antoine, selbst noch ein Knabe, sträubte sich, doch auch er wusste, dass es geschehen musste. Und so hob er die Axt und mit einem geschluchzten „Für die Königin!“ vollendete er das blutige Tagewerk.
Jelena Jakovljeva, die Heilerin aus fernen Landen, sie wusch die Leichen und richtete sie her, band die Wunden und schlang sie in das Leichentuch.
Das kriegerische Volk rüstete sich, um diese beiden Männer, die der Ehre höchsten Preis gezahlt hatten, zu Grabe zu geleiten und gar minnigliche Kämpfer waren es, die die Last ihrer Leichen trugen.
Und ich?
Ich, ich stand ein wenig abseits und besah mir dies, auf das ich euch berichten möge von eines Ritters schwärzester Stund, von seiner größten Tat und schlimmsten Schuld."