Vanion Bachlauf, aus Roquefort und erster Ritter der Baronie Feuerklinge

Allgemeines

Geboren in Norodar, wuchs Vanion auf dem Hof seines Vaters in der Nähe Fanadas auf. Als ältester Sohn (mit vier Schwestern, Isabelle, Sophie, Vania und Maren) hatte er das nicht ganz leichte, aber dafür sehr ungefährliche und, wie ihm schien, langweilige Leben eines Bauern vor sich. Er sollte dereinst den Hof seines Vaters erben. Schon als Kind spielte er jedoch lieber mit Stöcken Ritter, als sich auf’s Feld zu stellen. Als er im Alter von 17 Jahren dann einem Spielmann über den Weg lief, der ihm auch noch das Angebot machte, an seiner Seite die Welt zu sehen, war der junge Mann nicht länger zu halten. Kurzerhand verließ er den heimischen Hof und machte sich auf in die weite Welt.

Vanion ist ein aufrechter Kerl, der manchmal ein wenig naiv ist und gerne impulsiv handelt. Er ist jedoch stets drauf bedacht, das seiner Meinung nach Beste für alle zu tun. Kurzum, kein schlechter Mensch, aber auch weit davon entfernt, ein Held wie alle anderen zu sein.

Vanions Mutter ist eine gutmütige, leicht dickliche Frau namens Sonja. Zum Zeitpunkt der Belagerung Engonias ist Sonja 37 Jahre alt, zum Zeitpunkt der Geburt ihres einzigen Sohnes war sie 17. Geboren und aufgewachsen war sie in Fanada, wo ihr Vater einer der besser betuchten Händler war. Dieser sorgte dafür, dass sie lesen und schreiben lernte, und auch etwas von der Welt sah. „Weltgewandheit ist wichtig, wenn du Menschen etwas verkaufen willst!“, sagte er immer. Am Ende lernte sie in einem Kloster oben in Caldrien, in Blanchefleur, wo sie auch ihren jetzigen Mann kennenlernte. Nach ihrer Hochzeit zogen die beiden zunächst nach Norodar, wo auch Vanion zur Welt kam.

Kurz nach Vanions Geburt verstarb Sonjas Vater, doch da er keine anderen Kinder hatte, blieb das Geschäft, dass er aufgebaut hatte, in Sonjas Händen. Sonja zog es wieder in ihren Geburtsort, und so veräußerte sie traurig alles, was ihr Vater erwirtschaftet hatte. Von dem Erlös leisteten sich Barak und Sonja ein Gehöft etwas außerhalb Fanadas.

Vanions Vater heißt Barak, ein großer, aufbrausender, vollbärtiger Mann, der mit beiden Beinen fest im Leben steht, jedoch in jedem Winter ein wenig heftiger erkrankt. Er hat bereits 52 Winter erlebt, die ersten davon in dem Dorf seiner Eltern in Caldrien. Während eines Konfliktes zwischen zwei niederen Adligen (La Follye und de Roquefort) zogen Soldaten durch das Dorf. Barak weigert sich stets, über die Vorfälle zu reden, die ihn zu seinem Umzug nach Tangara, genauer gesagt nach Norodar bewegten, doch brachte er immer wieder zum Ausdruck, wie sehr er das abgeschiedene Leben dort genoss. Barak bestellte in Norodar ein kleines Stück Land; als Sonja ihn jedoch nach dem Tod ihres Vaters zum Umzug nach Fanada überredete, verkaufte er dieses widerwillig.

“What is honor compared to a woman’s love? What is duty against the feel of a newborn son in your arms… or the memory of a brother’s smile? Wind and words. Wind and words. We are only human, and the gods have fashioned us for love. That is our great glory, and our great tragedy.”

Werdegang

Übersicht

  • 30. Januar 242 n.J.: Geburt in Norodar
  • Mitte 243 n.J.: Umzug der Bachlaufs nach Fanada
  • 249 bis 259 n.J.: als Bauer auf Vaters Hof
  • Sommer 259 n.J.: Vanion verschwindet vom Hof mit dem Barden Marius, wird von seinem Vater verstoßen
  • Spätsommer 259 bis Mai 260 n.J.: die beiden Tagediebe vagabundieren durch die Welt
  • Mai 260 bis April 261 n.J.: Vanion schließt sich dem Pilgerzug an, Marius verlässt Engonien
  • Dezember 261 n.J.: Aussöhnung mit seinen Eltern
  • Frühjahr 262 n.J.: Eintritt in den Knappenstand bei Lorainne
  • 06. Oktober 262 n.J.: Geburt von Vanions Tochter Jeanne, ein Kind mit einer Dienerin Lorainnes

Die Geburt und die frühen Jahre

242 n.J. bis Sommer 259 n.J.

Im Januar 242 n.J. kam Sonja, Vanions Mutter, nieder und gebar ihrem Mann Barak ein gesundes, kräftiges Kind. Die gute Nachricht sorgte für viel Freude, und es schien, als ob die Familie der Bachlaufs in Norodar ein ganz normales Leben führen würde, wie so viele andere Bürger Engoniens auch. Barak besaß ein kleines Stück Land, das er in seiner Jugend gekauft hatte, und von dessen Erzeugnissen die beiden mit ihrem Sohn lebten.

Nach einem knappen glücklichen Jahr in Norodar erreichte die kleine Familie jedoch die Nachricht, dass Sonjas Vater, der vor Fanada ein größeres Stück Land zusammen mit zwei Teilhabern gepachtet und bestellt hatte, verschieden war. Die Familie reiste zur Beerdigung, wo Barak erfuhr, dass die beiden Teilhaber nicht vorhatten, das Land länger zu pachten – sie waren alt, älter noch als Sonjas Vater es gewesen war, und sehnten sich danach, ihren Ruhestand bei ihren Enkeln zu verbringen. So kam es, dass Barak nach langen Diskussionen sich von Sonja überzeugen ließ, sein Land in Norodar für einen guten Betrag zu verkaufen und mit diesem Geld den Pachtvertrag ihres Vaters zu übernehmen. Sonja sehnte sich schon lange nach einer Großstadt, und Fanada galt als Blume Tangaras vor dem Bürgerkrieg.

Sonja lebte sich schnell ein, Barak brauchte etwas länger dazu – seine caldrische Herkunft ließ ihn steif und knöchern gegenüber der Leichtigkeit und des findigen Pragmatismus‘ der Fanader wirken.

Das Leben der Familie verlief weitgehend ereignislos, bloß wünschten Vanions Eltern sich weitere Kinder. Doch Naduria stimmte ihrem Wunsch erst zu, als Vanion zehn Jahre alt war – Sonja schenkte einer Tochter, die nach dem Willen Baraks einen caldrischen Namen, Isabelle, tragen sollte, das Leben. Vanion arbeitete zu diesem Zeitpunkt bereits fleißig auf den Feldern des Vaters und war auf dem besten Wege, ein lupenreiner tangarianischer Bauer zu werden. Nur zwei Jahre später sollte Naduria nochmal ihr Lächeln auf die Familie werfen, als Sophie wohlbehalten den Schoß ihrer Mutter verließ.

Mit zwölf kam Vanion in das Alter, in dem kleine Jungs oft zu unangenehmen Zeitgenossen werden. Je älter er wurde, desto öfter fluchte er über die scheinbar eintönige Arbeit, mit vierzehn begann er, in den schlechteren Spelunken Fanadas hinter dem Rücken der Männer und Frauen Geschichten aufzuschnappen über Abenteurer, die lauter aufregende Sachen erlebten. Dem naiven Jungen dämmerte nicht, dass diese Geschichten oft nur erfunden oder übertrieben waren. Im Alter von 16 Jahren lernte Vanion den jungen Barden und Lavinia-Novizen Marius kennen, der sich zu dieser Zeit länger in Fanada aufhielt. Er lauschte mit leuchtenden Augen den Geschichten, die dieser erzählte, über Jeldrik, über Konar, über Helden, Schurken, Maiden und Freibeuter. Auch so manche Ballade, manches Heldenlied aus Marius‘ Mund kam bald auch über Vanions Lippen, immer öfter summte er Melodien dieser Lieder auf den Feldern.

Als Marius dann nochmals nach Fanada kam (Vanion war mittlerweile 17), beschloss Vanion kurzerhand, mit ihm abzureisen – er bot sich ihm als Leibwächter und Ausrufer an. Vanion ahnte nicht, dass Marius eher schmunzelte, als der junge Mann von „Leibwächterei“ sprach, jedoch schien Marius einen stimmgewaltigen und eloquenten Ausrufer zu brauchen – wenn Vanion dabei war und ihn vorher anpries, verdiente er deutlich mehr Münzen als ohne ihn.

Der Aufbruch vom Hof und der Streit mit seinem Vater

August 259 n.J.

Als Marius Vanion angestellt hatte, beeilte sich der Junge noch am selben Abend, einen Beutel mit den nötigsten Sachen einzupacken. Am Morgen dann, als er sich noch vor der Sonne davon stehlen wollte, stieß er in der Speisekammer gegen ein Regal – die Geräusche weckten seinen Vater und seine Mutter auf.

Es kam zu einem lautstarken Streit. Barak konnte nicht fassen, von was Vanion da faselte – „die Welt sehen“, „nicht hier versauern“, „ein Held werden“, „Gutes tun“, all sowas waren nicht gerade einwandfreie Zukunftspläne, die ein Vater wie Barak hören wollte.

Vanion hatte jedoch vor allem eines von seinem Vater geerbt: seine Sturheit.

Vater und Sohn schrieen einander immer lauter an, bis Barak schließlich nur noch brüllte: „Dann verschwinde! Verschwinde mit deinem Spielmann, aber wag es nie, nie wieder, hierher zurückzukommen! Nichtmal angekrochen sollst du kommen! Du bist nicht länger mein Sohn; mein Sohn würde mich niemals so enttäuschen!“ Sonja wollte sich an Barak, der in der Tür stand, vorbeidrängen, um Vanion aufzuhalten, doch Barak packte ihr Kleid und zog sie mit einem Ruck zurück. Wutschnaubend fuhr er sie an: „Lass ihn! Lass ihn laufen, diesen Nichtsnutz!“ Als sie unter Tränen versuchte, sich von ihrem Mann zu lösen, schlug Barak ihr ins Gesicht und stieß sie hinter sich zu Boden. Vanion sah aus nächster Nähe, wie seine Mutter fiel, er sah, dass ihre Nase blutete – doch er unternahm nichts.

Er drehte sich um und rannte.

Die Vagabundenzeit

Spätsommer 259 bis Mai 260 n.J.

Als Vanion aufgelöst die Kneipe erreichte, in der er sich mit Marius treffen wollte, nickte ihm dieser nur kurz zu. Marius schien nicht zu interessieren, wie der Abschied verlaufen war, und Vanion traute sich nicht, die Schande seiner Flucht einzugestehen. So stiegen die beiden auf ihre Pferde und verließen Fanada.

Im nächsten Jahr dachte Vanion kaum an seine Eltern. Er war mit Überleben beschäftigt. Das Vagabundenleben bot keine dieser romantischen Annehmlichkeiten, die Vanion erwartet hatte. Viel zu oft endeten Abende in Prügeleien in heruntergekommenen Spelunken, manchmal auch in einem schlammigen Graben, in dem er neben Marius und ein paar Flaschen billigem Wein aufwachte. Vanion ließ sich zu Diebstahl herab, ein Kupferstück galt ihm bald mehr als das körperliche Wohl seines Gegenübers. Er trank, spielte, gewann, trank, spielte, verlor, schlug sich. Seine Kleidung, die er vom Hof mitgenommen hatte, war bald rissig und schmutzstarrend, immer öfter verdingte Vanion sich nun auch als Schläger.

Marius trank ebenso wie Vanion, doch war dem Barden klar, wo seine Grenzen waren. Er schlug sich nie, immer, wenn es brenzlig wurde, griff er auf Bardenmagie oder auch einfach auf seine Gewaltfreiheit zurück, die aus seiner Berufung als Novize der Lavinia resultierte. Marius nahm sich dem jungen Mann an und versuchte, ihm Ideale Lavinias zu vermitteln. Er schien zu sehen, dass Vanion abstürzte. Schlussendlich zogen die beiden zurück nach Engonien.

Nach einigen Touren durch Dörfer und kleinere Städte verlangte es Marius, seine Ordensschwester, Novizin Rania, wiederzusehen. Auf ging es also, die Reise nach Ahrnburg begann.

Der Pilgerzug

Mai 260 bis April 261 n.J.

Im Mai 260 n.J. erreichten die beiden Ahrnburg, einen Tag, nachdem die Stadt in die Hände des Widerstandes gefallen war. Vanion und Marius beschlossen, sich dem Pilgerzug anzuschließen. Vanion schwor, so wie andere auch, nachträglich den Feuerschwur – Marius nicht. Zum ersten Mal begab es sich, dass Vanion mit einem Kurzschwert in der Hand anstatt wie sonst mit Fäusten oder Knüppeln kämpfen sollte – doch im wilden Handgemenge, in der Unübersichtlichkeit des Gemetzels stellte sich gerade diese Erfahrung als überlebenswichtig heraus. Vanion überlebte die ersten Geplänkel mehr durch Glück als durch irgendetwas anderes, wurde jedoch bald für die höheren Offiziere wichtig, als sich herausstellte, dass er lesen und auch schreiben konnte.

Oft wurde er für Botengänge zwischen den Getreuen Simons und anderen Anführern eingesetzt. Im weiteren Verlauf der Kämpfe gelang es Vanion, sich dem Banner der Sturmrufer anzuschließen. Diese Männer, einfache Soldaten, manche nicht älter als Vanion, wurden zu den ersten wirklichen Freunden des jungen Mannes.

Diese Freunde sollten jedoch nicht lange an Vanions Seite bleiben. Während der unseligen Ereignisse im Dorf Tiefensee verschwanden sie im Wald und kehrten als Wiedergänger Szivars zurück. Die tapferen Männer und Frauen wurden allesamt abgeschlachtet.

Diese Ereignisse führten dazu, dass Marius den Pilgerzug verließ und die Freundschaft der beiden zerbrach. Vanion sah sich und Marius nach all den Toten nur um so mehr in der Pflicht, Engonien von der Faust Konars und dem Joch Szivars zu befreien – Marius‘ Weggang war in Vanions Augen nichts anderes als eine tumbe, feige Flucht, ganz ähnlich der Flucht Vanions vor seinem Vater.

Schlussendlich wurde Vanion nun den Männern Simons unterstellt, als Bote und Verbindungsmann zu anderen Abteilungen des Pilgerzuges, die von nicht-adeligen Männern befehligt wurden. Deswegen und aufgrund Vanions Glück und Kampfesmut in anderen Schlachten und Scharmützeln kam es dazu, dass Vanion dem kleinen Stoßtrupp Simons zugeteilt wurde, der ein Akademiegebäude vor Engonia einnehmen sollte – die anderen Mitglieder dieses Zuges hatte Vanion auf die eine oder andere Art und Weise, im Besonderen aber in Tiefensee, kennengelernt.

Vanion kämpfte wacker dort, aus manchem Kampf musste er sich verwundet zurückziehen, andere Kämpfe gewann der Mann, der in einer alten, unzusammenpassenden Rüstung mit einem schartigen Langschwert kämpfte, jedoch mit Bravour. Schlussendlich streckte ihn ein Ritter des Lupus nieder, nur mit Glück gelang es einem Heiler namens Luthor Kaeen, Vanions in Stücke gehauenes Bein zu versorgen. Vanion graut es noch heute vor Luthors erster Reaktion, als er an Vanion vorbeieilte: „Der ist hin. Der nächste!“

Die Aufnahme in den Knappenstand

April 261 n.J. bis Herbst 262 n.J.

Noch am Abend der Schlacht um Engonia wurde Lorainne de la Follye des Joux, die Knappin des Ritters Simon de Bourvis, zum Ritter geschlagen. Sofort folgte der Fehdehandschuh Simons, da Lorainne sich vor langer Zeit mit unlauteren Mittel in den Knappenstand geschlichen hatte. Vanion wurde Zeuge dieser Szene, und er spürte in sich den Wunsch, auch ein Ritter zu werden. Ein wahrer Ritter, einer, wie er Gegenstand von Marius‘ Geschichten war, an die der junge Mann nicht mehr zu glauben bereit war. Doch diesen Geschichten galt es, Glaubwürdigkeit zu verschaffen, und Vanion war fest entschlossen, dies zu tun.

In der Schlacht kämpfte Vanion wacker, als Engonia fiel, bemühte er sich, Racheakte der Widerständler an den Truppen und Milizen des Lupus zu verhindern. Jeder sich ergebende Mann sollte leben, nicht sterben, war die ausgegebene Parole. Doch nicht jeder Pilgerzügler sann auf Frieden. Mancher sann auf Rache. Doch mancher Mann, der aufgegeben hatte, sollte sein Leben dem verletzten, blutüberströmten Vanion verdanken. Irgendwann jedoch wurde es auch für Vanion zuviel – mit dem Brandgeruch der Zerstörung in der Nase, Blutgeschmack im Mund und einem beschmutzten, blutüberströmten Gesicht, das von hellen Streifen von salzigen Tränen durchsetzt war, brach der Junge zusammen. Erst am nächsten Tag wachte er im Feldlazarett der Männer Bourvis‘ wieder auf.

Ein Jahr und einen Monat nach der Schlacht kam es in Brega zur Feier der einjährigen Befreiung der Stadt. Dort beschloss Vanion, Lorainne um die Aufnahme in den Knappenstand zu bitten. Sofort gab es Einwände, Vanion war nicht von Stand, nie gewesen. Man einigte sich schließlich auf ein Götterurteil im Namen Alamars.

Die Heilige Queste Vanions sollte sein, die Gebeine einer verstorbenen Flamina Alamars, Dame Agathe von Steinbach, zu finden und wieder in die Arme der Priesterschaft des Gottes zu führen.

Anderthalb lange Jahre dauerte es, bis Vanion diese Queste unter Aufbietung aller Kräfte und so manches Mal unter Lebensgefahr erfüllen konnte – doch schlussendlich gelang es. Im Herbst 262 n.J. war es soweit: Vanion wurde offiziell mit dem Segen Alamars, ausgesprochen durch Flamen Magnus Alamariani Damian, in den Knappenstand als Knappe der Chevaliére Lorainne de la Follye des Joux aufgenommen.

Die Aussöhnung mit seinem Vater

Dezember 261 n.J.

Auf Befehl Lorainnes, der er zwar noch nicht als Knappe, aber als etwas durchaus vergleichbares diente, kehrte Vanion endlich nach Fanada zurück. In einem bewegenden Wiedersehen mit seinen Eltern versöhnten sich Vater und Sohn. Dort erst erfuhr Vanion, dass er eine weitere Schwester bekommen hatte – Vania mit Namen.

Frühjahr 262 n.J.

Wie so manch anderer, war Vanion auf einem der Grenzfeste Zeuge des unseligen Duells zwischen Herrn Simon und der Dame Lorainne geworden. Simon hatte den Kampf verloren, doch war er nicht tot. Sein Herz schlug, mal kräftiger, meist schwächer, doch erwachte er nicht aus der Ohnmacht, die ihn nach dem Schwerthieb Lorainnes umfasst hielt. So beschloss nach fast einem Jahr, das Simon schlafend, ohne die geringste Veränderung, niedergelegen hatte, eine kleine Gruppe aus Freunden, Simon zu erwecken. Mit aufwändiger Magie, mit Gebeten, mit einem Ritual gelangte die Gruppe, darunter auch Vanion, in Simons Vergangenheit. Simon wachte nicht auf, weil die Geister der Vergangenheit keine Ruhe gaben. Ein innerer Widerstreit tobte, zwischen dem Tod, der Ruhe und Frieden und auch die Umarmung einer längst verstorbenen Liebe versprach, und dem Leben, mit all seinen lästigen Verpflichtungen, mit allen Loyalitäten, mit allen Konsequenzen.

So kam es, dass ein jeder der Freunde Simons bald hier, bald dort versuchte, die verschiedensten Erlebnisse Simons nochmal zu erleben, und endlich half man Simon, mit so mancher Vergangenheit abzuschließen. Vanion fiel dabei, wohl durch die Fügung Lavinias, die Aufgabe zu, sich von Simons verstorbener Frau, Laura, zu verabschieden, und sie und ihr totes Kind ein für alle Mal los zu lassen. Nur unter Tränen gelang es dem Knappen, diese Türe zu schließen, und als Simon verabschiedete er sich von ihr. ‚Ich liebe dich!‘ waren die letzten Worte, die Laura hören sollte.

Dieses Ereignis prägt Vanion noch heute.

Übungsjahre

262 n.J.

Nach der Aufnahme in den Knappenstand und einigen weiteren Ereignissen, bei denen Vanion sich nicht gerade durch Klugheit auszeichnete, wurde Vanion von Lorainne in ein kleines Dorf namens Schlagbaum geschickt. Dort verbrachte er den größten Teil des Jahres mit Jacques, einem Diener Lorainnes, um die Ausbildung als Knappe zu beginnen.

Die Jahre werden dem jungen Mann wohl noch viel bringen, manch Gutes, manch Schlechtes.

Ende 262 n.J.

Da Vanion kein Heiliger und auch kein Eunuch war, kam es zur Geburt seiner Tochter. In Anbetracht der caldrischen Herkunft seines Vaters und auch mit dem Gedanken an Lorainne nannte er es Jeanne. Die Mutter war eine einfache Magd aus Schlagbaum, mit Namen Maria. Alle riefen sie nur Marie, eine hübsche, dunkelhaarige Frau von 23 Jahren. Vanion beschloss, sie auf seinen Reisen mit sich zu nehmen, zumindest bis La Follye, wo sie behütet ihre Tochter großziehen konnte.

263 n.J.

Kurz vor der anstehenden Hochzeit Lorainnes begab es sich, dass Vanion einen Jeldriken namens Konrad von Hirschsprung kennen lernte. Was anfänglich als schöner Abend bei einem Bier in einer Kneipe begann, endete blutig. Hier kann der geneigte Leser die Ereignisse des Abends erfahren, als wäre es gerade erst passiert.

Die Suche nach Lorainne: Der Beginn

263 n.J.

Es hatte sich im letzten Jahr ergeben, dass Lorainne de la Follye des Joux einen gewissen Savaric de Roquefort heiraten solle. Die Roqueforts und die Follyes waren Familien, die seit Generationen im Streit lagen – dieser Streit sollte nun ein für allemal beigelegt werden. Auch der lange schwelende Konflikt um das Lehen La Follye, das eigentlich Lorainne zustand, sollte geklärt werden – seit Lorainnes Vater des Verrats beschuldigt und aufgeknüpft wurde, wurde das Lehen von den Roqueforts, insbesondere eben durch Savaric, verwaltet.

Auf der Reise zu der Hochzeit durch den Forêt d’Artroux in Firngard wurde Lorainnes Tross jedoch überfallen und sie selbst entführt. Vanion, der mittlerweile in Lorainnes Pläne betreffend dieser Hochzeit eingeweiht war, entschloss sich, die Suche vor Ort den Männern Roqueforts, Blanchefleurs und Marnois‘ zu überlassen. Er konnte kaum Caldrisch sprechen und kannte dort oben in Firngard einfach niemanden, sodass es ihm das Sinnvollste erschien, Freunde aufzutreiben, die ihm helfen würden.

Sein Weg führte ihn also nach Uld, wo eine Feierlichkeit stattfand, die von Männern und Frauen aus ganz Engonien (und weiter her..) besucht wurde. Doch kehrte er zunächst in das Lavinia-Kloster in Blanchefleur zurück, in welchem sich Lorainne auf die Hochzeit vorbereitet hatte, in der Hoffnung auf gewisse Dokumente, die Lorainne dort hinterlegt hatte. Fündig wurde er jedoch nicht: ob nun Zufall, Unfall oder schlimme Tat, die Bibliothek war weitestgehend einem Feuer zum Opfer gefallen. Auch Marie, die Mutter von Vanions neugeborener Tochter (nur eine Liaison, keine Liebe), war in der Bibliothek umgekommen: ein verkohlter Balken, der nicht länger dem Brand standhielt, erschlug sie, als sie versuchte, einer Ordenschwester zu helfen.

Hilflos im wahrsten Sinne des Wortes vor den Trümmern seiner Hoffnung stehend, schwor der Knappe verbittert, alles daran zu setzen, Lorainne zu finden – oder ihre Leiche zu bergen. Erfüllt von trüben Gedanken und voll von Hilflosigkeit angesichts der Situation, beschloss Vanion, nach Uld zu reisen. Er brauchte nun die Hilfe von Freunden.

Als Vanion in Uld ankam, musste er feststellen, dass ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt worden war. 20 gute Kupferstücke sollte derjenige erhalten, der den Knappen der tangarischen Gerichtsbarkeit auslieferte. Die Vorwürfe lauteten Mord, Raub und Leichenschändung an einem Jeldriken. Tatsächlich hatte Vanion (s.o.) diesen Jeldriken getötet, jedoch in einem ehrenhaften Duell – und tatsächlich hatte er die Leiche auch ordentlich begraben, den Wappenrock des Jeldriken sogar in Engonia dem Jeldriksorden übergeben. Es gelang Vanion an jenem Abend nur knapp, einem wütenden Mob zu entkommen – als er schließlich Schutz bei den Valkensteinern suchte, kamen diese ob der zahlenmäßig deutlich überlegenen Stadtwache Ulds nicht daran vorbei, eine Kaution in Höhe von sage und schreibe 500 Silberstücken für Vanions Kopf zu hinterlegen.

Die Suche nach Lorainne: Der Arden und der Prozess

Frühling, Sommer 263 n.J.

Nach dem Fest von Licht und Schatten in Uld und den damit einhergehenden Ereignissen verfolgte Vanion die Spur seiner Rittermutter bis in den Arden hinein. Er schloss sich einer wagemutigen Expedition, bestehend aus einigen Abenteurern und einigen seiner alten Freunde, an und betrat den Arden. Unselige Ereignisse zwangen den Knappen dazu, zwei Menschen zu töten, seit dem Ende des Bruderkrieges die ersten Opfer von Vanions Axt. Jeder Ansatz einer Suche nach Lorainne wurde jedoch unterbrochen – vielmehr galt es alsbald, Leib und Leben zu verteidigen, als ein mächtiger Szivarsdiener die Expedition hart bedrängte. In einem der Gefechte im Arden wurde Vanion auf den Tod verwundet, nur dank der Hilfe Jelenas und dem wohlmeinenden Willen Lavinias überlebte er. Nichtsdestotrotz, die Schwere der Verwundung bedeutete das Ende der Suche im Arden für den Knappen. Auf seltsamem Wege gelangte jedoch ein Gürtelbanner aus gutem, festem Leinen in die Hände Vanions, verziert mit den Symbolen der Götter und des Pilgerzuges, und gänzlich zweifelsfrei vormals in Lorainnes Besitz. Nun galt es, einen fähigen Magier zu finden, der die Spuren, die an diesem Stück Stoff haften mochten, zu finden und zu verfolgen.

Während also Vanion die magischen Dinge den Magiern, sprich Gorix Feuerklinge von der Ayd’Owl zu Fanada, überließ, eilte er selbst nach seiner vollständigen Genesung nach Uld. Eine Dreimonatsfrist war alles, was er bekommen hatte, und er durfte die Valkensteiner und all die Freunde, die ihm vertrauen, nicht im enttäuschen. Um es kurz zu machen und den Leser nicht mit Details zu ermüden: Vanion wurde freigesprochen, nach zäher Verhandlung. Der geneigte und interessierte Jurist möge den genauen Prozesshergang hier evaluieren können.

Die Suche nach Lorainne: Das Ende

Sommer bis Herbst 263 n.J.

Nachdem Vanion und seine Helfer so manch anderer Spur nachgegangen waren, führte einer ihrer letzter Anhaltspunkte wieder zurück in den Forêt d’Artroux. Ob Zufall oder nicht, Savaric de Roquefort hatte ein weiteres Mal gutes Gold aus seinen Schatzkammern geholt, um einen Großteil, wenn nicht gar alle der Söldner, die an dem Abend, als Lorainne entführt wurde, nach ihr suchten, nochmals in den Forêt d’Artroux zu schicken.

Während der Geschehnisse in diesem unseligen Wald stieß der Söldnertrupp auf Szivarspaktierer und Gesindel. Männer Roqueforts fielen ihnen in den Rücken (so die Vermutung, einen Beweis, wer diese Männer waren, gab es nicht), doch schlug man sich wacker. Die Hinweise auf ein Kult-Ritual, in dessen Rahmen Lorainne als Opfer dargebracht werden sollte, verdichteten sich immer weiter, und je weiter der Tag fort schritt, desto schneller schwand die Hoffnung. Und doch – schlussendlich stieß die müde Truppe, schon zerschlagen von vorherigen Kämpfen, ausgelaugt von der Hitze des Tages, in der Stunde des Sonnenunterganges auf einen Hügel. Von oben hörte man Keifen, Sabbern, Grunzen – und auch den hellen, lauten Schrei einer sich in Qualen windenden Frau. Nun war kein Halten mehr, weder für Vanion noch für irgendjemanden sonst. Im Sturm wurde der Hügel erklommen, Schwert schlug auf Schild, Streitkolben auf Knochen, blanke Fäuste auf Kultistenfleisch. Faulige, gelbe Zähne gruben sich in ungeschützte Stellen, selbst vermeintlich erschlagene Kultisten trieben die Stümpfe ihrer abgeschlagenen Hände noch in die Kniekehlen der Helden. Lorainne lag inmitten des Chaos‘ auf dem Boden, eine Dienerin Szivars mit dem Messer in der Hand über ihr. Als Vanion versuchte, sich seinen Weg zu ihr zu erstreiten, wurde er von der schieren Anzahl Kultisten überwältigt – doch reichte die Bresche in den Reihen, die er für den Bruchteil eines Momentes geöffnet hatte aus, dass andere, Freunde, Vertraute, zu Lorainne stürmen konnten. Zumindest für den Moment war die Ritterin gerettet – doch Welle um Welle der Kreaturen des Täuschers brannte heran. Und in dem Moment, als alles verloren schien, kam ER. Mit der Sonne im Rücken, einen Hang hinabreitend, fuhr der Ritter des Grünen Waldes wie ein Blitz in trockenes Laub. Er und seine Männer kämpften mit Schwert, Pfeil und Axt, und endlich, endlich ergriff das feige Szivarspakt die Flucht.

Vanion selbst hatte im eigenen Blut am Boden gelegen, als der Ritter kam, und sein Ende vor sich gehabt. Tränen der Freude füllten die Augen des Knappen, als er sah, dass Lorainne lebte! Als er diese fort wischte, sah er, dass der Grüne Ritter sich über seine Rittermutter beugte und ihr zärtlich über die Haare strich, mit einer Sanftheit, wie sie ihresgleichen suchte. Die Grünen Männer hatten stets ihre Gesichter verhüllt, wann immer sie aufgetaucht waren – doch das grüne Leinentuch, dass die Züge des Ritters bedeckte, war in der Hitze des Kampfes verrutscht. Wie Schuppen fiel es Vanion von den Augen: vor ihm stand niemand anderes als Jules de la Follye – Lorainnes tot geglaubter, als Verräter an der Königin verurteilter Vater.

Noch im Moment des Erkennens sah Jules den Knappen jedoch scharf an. „Egal, wen du zu sehen glaubst – behalte es für dich.“ Und daran hielt sich Vanion. Noch bevor der Tag ganz rum war, machte man sich auf den Weg. Lorainne war nicht wieder zu erkennen – nur zwei Worte sprach sie noch: „Ich will“. Und so beschloss man, sie zu verstecken und zu verbreiten, dass sie tot war, bis ein Weg gefunden sei, sie zu retten.

Frühjahr 264 n.J.

Oft belog Vanion seine Freunde. Es tat ihm in der Seele weh, zu sehen, wie manche von ihnen ob der schlimmen Unwahrheit in Tränen ausbrachen. Andere Gesichter verhärteten sich in Zorn und Hass und Rachsucht, und wieder andere schienen doch zu ahnen, dass mehr in Vanions Worten steckte als nur der Tod. Und endlich, endlich war es soweit: ein Weg schien gefunden, Lorainne zu heilen, zu retten. Ysander, ein Novize der heiligen Göttin Elja, hatte Schriften studiert, Bücher gewälzt und manche Stunde in trockenem Papierstaub verbracht, um schließlich und endlich genug Wissen zusammenzutragen, um einen ersten und letzten Versuch zu wagen. Als Jules de Follye davon erfuhr, sprach er: „Rettet sie. Und so es fehlschlägt, tötet sie.“ Denn das Schicksal seiner Tochter ging ihm nah, und ein seelenloses Ding zu sein, dass wünschte der Herr Ritter seinem ärgsten Feinde nicht.

Und so sammelte man sich. Still, heimlich schickte Vanion Boten durch das Land, um hohe wie niedere Herren und Damen zu informieren. An einem Frühlingstage, in einem Kloster des Alamar, sollte es geschehen – und es geschah. Viel mag darüber zu berichten sein, was an diesem Abend vorfiel. Noch viel mehr sollte man singen von der Tapferkeit, dem Heldenmut, der Liebe und dem Hass, der in jener Nacht Früchte trug. Doch was dort geschah, das würde Vanion nicht teilen. Nur die, die ihm gefolgt waren, die, die sich gegenseitig in die tiefsten Abgründe ihrer Seele geschaut hatten, nur die sollten wissen, was genau geschehen war.

Doch – am Ende des Tages – war es geschafft. Lorainne de La Follye des Joux war am Leben – und geheilt. Doch schrecklich war der Preis! Jules de Follye, über Jahrzehnte totgeglaubt, lag in seinem Blute – und kein Mummenschanz konnte verhindern, dass sein Leben langsam aus ihm heraussickerte. Ach und Weh, die Brut Szivars war über das Kloster hergefallen, nach Blut und Schmerz dürstend. Und so fand Vanion seine Chevalière, als er blutüberströmt die Leiche ihres Vaters verteidigte: kniend, und weinend, und trauernd.

„Wehe dem, der dies über La Follye brachte! Wehe, Savaric de Roquefort!“ Dies schwor ein jeder an diesem Abend. Einzig Vanion saß irgendwann in seiner Kammer und grübelte – denn auch er hatte etwas erfahren.

265 n.J. Der Fall und das Ende

Vanion Bachlauf. So hatte er geheißen, sein ganzes Leben lang. Vanion Bachlauf, der Bauer aus Fanada. Doch das war er nicht mehr. Lorainne hatte etwas erfahren, was Vanions Leben verändert hatte.

Der alte Roquefort, der Vater Savarics, hatte nur einen legitimen Sohn gehabt. Doch dieser starb früh bei einem Reitunfall. So legitimierte der alte Roquefort seine beiden Bastardsöhne: Baraque de Roquefort und Savaric de Roquefort. Baraque, der Ältere, war jedoch nicht mehr aufzufinden. Was die Männer aus Roquefort vermutet hatten, hatte sich bewahrheitet: der Baraque de Roquefort hatte eine Frau aus Tangara geheiratet und war dorthin gezogen. Er nannte sich – Bachlauf.

Vanion war ein Roquefort. Der Sohn des älteren Bruders von Savaric de Roquefort. Und als solcher sollte er seinen eigenen Onkel töten? Nein. Das würde er nicht tun. Und so verließ Vanion die Dienste von Lorainne de La Follye des Joux, er stieß den Knappeneid von sich, er schlug alles, was er bisher erreicht hatte, in den Wind.

Nur, um wenige Monate später doch zurückzukehren. Die Hochzeit zwischen Savaric und Lorainne sollte stattfinden, und während dieser Hochzeit zeigte Savaric sein wahres Gesicht. Er stieß Lorainne einen Dolch in den Körper. Und Vanion, der nah dabei stand – zog den Dolch aus Lorainnes Körper und durchschnitt die Kehle seines Onkels.

Und so endet die Geschichte von Vanion de Roquefort.

Appendix